Kleinkind sitzt im Hochstuhl und trinkt aus einer Trinkflasche.
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Schutz vor chronischen Krankheiten beginnt im Mutterleib

Quelle: AdobeStock © Syda Productions

Ein begrenzter und reduzierter Zuckerkonsum während der ersten 1.000 Lebenstage eines Kindes kann das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten im Erwachsenenalter erheblich senken. Das legen Ergebnisse einer Studie nahe.

Wissenschaftler*innen haben untersucht, inwieweit eine Zuckerrestriktion während der ersten 1.000 Lebenstage eines Kindes (Schwangerschaft und erste zwei Lebensjahre) Auswirkungen auf die Entstehung von Diabetes mellitus und Bluthochdruck im Erwachsenenalter haben kann.

Für ihre Analyse nutzten die Fachleute quasi-experimentelle Daten: Anfang der 1950er Jahre endete in Großbritannien eine kriegsbedingt angeordnete Zuckerrationierung. Während der Konsum anderer Lebensmittel weitgehend unverändert blieb, führte die Aufhebung der Zuckerrationierung zu einem unmittelbaren fast zweifachen Anstieg des Verzehrs von Zucker und Süßigkeiten.

Mithilfe statistischer Methoden (Regressions-Diskontinuitätsanalyse) verglichen die Wissenschaftler*innen Daten von Menschen, die 1.000 Tage vor dem Ende der Zuckerrationierung gezeugt bzw. geboren wurden („zucker-rationiert“) mit denen von Menschen, die bis zu 1.000 Tage nach Ende der Zuckerrationierung gezeugt bzw. geboren wurden („nicht-zucker-rationiert“). Die Studie nutzte Daten von etwa 60.000 Menschen, die in den genannten Zeiträumen gezeugt bzw. geboren wurden und deren Gesundheitsdaten zwischen 2006-2019 (im Alter von 51-66 Jahren) über die UK Biobank (prospektive Langzeit-Biobank-Studie) erfasst wurden.

Ergebnisse im Überblick

  • „Zucker-rationierte“ Personen hatten ein deutlich niedrigeres Risiko, im Erwachsenenalter an Diabetes (-35%) und Bluthochdruck (-20%) zu erkranken. Ihr Risiko für die Ausprägung von Adipositas liegt 30 % niedriger im Vergleich zu den „nicht-zucker-rationierten“ Personen.
  • Bei „zucker-rationierten“ Personen traten die Krankheiten im Schnitt 2 bis 4 Jahre später auf als bei den „nicht-zucker-rationierten“.
  • Während der Schwangerschaft wirkte die Zuckerrationierung zwar protektiv, doch ließ sich die größte Risikoreduzierung im Alter von sechs Monaten und darüber hinaus feststellen.
  • Mit Blick auf das Ernährungsverhalten zeigen vorherige Analysen, dass die Menschen auch mehr als 50 Jahre nach dem Ende der Rationierung deutlich mehr Zucker verzehren als diejenigen, die mit der Rationierung aufgewachsen sind (plus 22 % bzw. 11 g Zucker/Tag mehr).

Fazit

Eine zuckerreiche Ernährung während der ersten 1.000 Lebenstage erhöht das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten in späteren Lebensjahren. Lebenslang haltende Geschmacksvorlieben werden schon in der Schwangerschaft aber besonders in den ersten zwei Lebensjahren geprägt. Das zeigt, wie bedeutsam eine gesundheitsfördernde Ernährung besonders in dieser wichtigen Lebensphase ist. In Deutschland zeigen aktuelle Auswertungen der KiESEL-Studie (Kinder-Ernährungsstudie zur Erfassung des Lebensmittelverzehrs) bereits bei Kleinkindern ungünstiges Ernährungsverhalten. Bei Kindern bis fünf Jahren übersteigt der Verzehr ungesunder Lebensmittel (u. a. Süßigkeiten, Softdrinks) die empfohlene tägliche Höchstmenge um mehr als das Doppelte. Mehr als die Hälfte der Kinder überschreitet die empfohlene Verzehrmenge an Fleisch, bei allen Kindern ist der Gemüsekonsum zu niedrig. Ungünstige Ernährungsgewohnheiten zeichnen sich bereits im Alter von zwei Jahren ab und zeigen sich bei Dreijährigen noch deutlicher.

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Quellen

  • T. Gracner et al., Science 10.1126/science.adn5421 (2024)
  • The Sweet Life: The Long-Term Effects of a Sugar-Rich Early Childhood. Paul Gertler and Tadeja Gracner NBER Working Paper No. 30799 December 2022 JEL No. I1,I12,J13
  • Dr. med. Peter von Philipsborn, MSc, MA, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Pettenkofer School of Public Health, Ludwig-Maximilians-Universität München: Zuckerkonsum während der ersten 1000 Tage und Risiko für Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck; Newsletter Netzwerk Public-Health-Nutrition vom 31.10.2024