Die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder im Vorschulalter stellt Regierungen weltweit vor Herausforderungen. Das NQZ zeigt exemplarisch Regelungen und Standards zur Verpflegung von Kita-Kindern in anderen Ländern auf.
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Im Überblick: Zahlen und Strukturen
In der Europäischen Union werden 64,2 % aller Kinder (Altersgruppe 0 bis Vorschulalter) in formaler Kindertagesbetreuung (z. B. Kindertageseinrichtungen, Vorschulen) betreut (11). Knapp die Hälfte der europäischen Mitgliedsstaaten garantiert einen Platz in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ab einem Alter von drei Jahren, nur sieben Mitgliedsstaaten (inkl. Deutschland) plus Norwegen garantieren dies auch für Kinder ab früher Kindheit (6 bis 18 Monate). In den meisten europäischen Ländern wird mindestens ein Jahr kostenlose frühkindliche Bildung und Betreuung angeboten, meist im letzten Jahr vor dem Übergang in die Schule. Ausnahmen bilden unter anderem Dänemark, Estland, Kroatien, Slowenien, Island, Norwegen, Nordmazedonien, wo kein kostenloses Angebot vorhanden ist und Eltern die Kosten tragen. Selbst wenn Bildungs- und Betreuungsaktivitäten komplett oder teilweise kostenlos sind, zahlen Eltern in der Regel in allen Ländern eine Gebühr für die Verpflegung in den Einrichtungen oder geben die Verpflegung mit. Ausnahmen bestehen in Finnland und Großbritannien. In Finnland erhält jedes Kind, das eine kostenlose Betreuungseinrichtung besucht, eine kostenlose Mahlzeit pro Tag. (10)
Die Bedeutung einer hochwertigen frühkindlichen Bildung ist als Voraussetzung für die Entwicklung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils international anerkannt. So haben die OECD sowie die G20-Staaten die Qualität der frühkindlichen Bildung zu einem wichtigen Thema ihrer Zusammenarbeit gemacht, internationale Daten zusammengeführt und bewährte Praktiken dokumentiert. Frühkindliche Bildung und Betreuung unterstützt Kinder, die Bedeutung von gesunder Ernährung und körperlicher Bewegung für ihre Gesundheit zu verstehen. (16)
Zur Verpflegung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung weltweit liegen jedoch wenig Daten vor. Auch die Forschung ist in diesem Bereich wenig ausgeprägt. Einige Länder schließen in ihre Schulernährungsprogramme ausdrücklich Vorschul- bzw. Kindertageseinrichtungen mit ein, so z. B. die USA, Bolivien, Brasilien, Chile, Ghana oder Kambodscha. Meist sind diese Programme mit verpflichtend umzusetzenden Ernährungsrichtlinien bzw. Qualitätsstandards verbunden. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen dienen diese Programme vorrangig der Ernährungssicherung, in Ländern mit höheren Einkommen eher der Prävention ernährungsmitbedingter Krankheiten. Investitionen in Schulernährungsprogramme sind langfristige Anlagen, die das Umfeld von Bildungseinrichtungen positiv beeinflussen und gesellschaftliche und globale Zusammenhänge aufweisen. Deshalb ist ihre nachhaltige Ausrichtung für die Transformation von Ernährungssystemen von hoher Relevanz.
Länderbeispiele
- Australien
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Australien ist föderal organisiert. Die einzelnen Bundesstaaten besitzen jeweils eigene Parlamente mit weitgehenden Kompetenzen zur Gesetzgebung. Die frühkindliche Bildung und Betreuung ist in Australien nicht verpflichtend und wird in den verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich organisiert. Über das Sozialversicherungssystem beteiligt sich die Regierung an den Kosten. Mit 5 oder 6 Jahren kommen australische Kinder in die Schule. Der Rat der australischen Bildungsminister*innen hat einen gemeinsamen nationalen Qualitätsrahmen (National Quality Framework) für verschiedene Bereiche der frühkindlichen Bildung und Betreuung aufgestellt, dessen Gesetze und Vorschriften für alle Staaten und Territorien gelten.
Dieser Qualitätsrahmen enthält auch Vorgaben für das Essen und Trinken. Allerdings sagen diese lediglich aus, dass Mahlzeiten und Getränke nährstoffreich und angemessen für jedes Kind sein sollen. Eine gesundheitsförderliche Ernährung soll in das Bildungsprogramm eingebettet werden. Wie diese Vorgaben genau umzusetzen sind, ist nicht näher definiert. Die einzelnen Staaten/Territorien bieten Beratung und Training an, um den Einrichtungen die Einführung einer besseren Verpflegung zu erleichtern (1). In Australien nehmen 48 % der Kinder im Alter zwischen 0 und 5 Jahren eine Kinderbetreuung in Anspruch, mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Betreuungszeit von 26,5 Stunden. Überwiegend findet die Betreuung in Kindertageseinrichtungen statt (57 %), nur zu einem kleinen Teil in familiennaher Kindertagespflege (6 %). Üblich ist auch die Nachmittagsbetreuung in Schulen (37 %). (14)
- Großbritannien
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In Großbritannien haben Kinder ab drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz mit einem zeitlichen Umfang von 30 Stunden pro Woche. Die meisten Kinder gehen schon mit 4 Jahren in die Schule, verpflichtend ist der Schulbesuch ab 5 Jahren. Jedes Kind unter 5 Jahren bekommt täglich 1/3 Pint (189 ml) frische Milch kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Referenzrahmen Early Years Foundation Stage (EYFS) des britischen Bildungsministeriums setzt verbindliche Standards für das Lernen, die Entwicklung und die Gesundheitsvorsorge für Kinder ab der Geburt bis zum Alter von 5 Jahren. Er fordert, dass in der Einrichtung angebotenes Essen gesund, ausgewogen und nährstoffreich sein soll (5). Hilfe für die Ausgestaltung geben die freiwilligen Richtlinien des „Children’s Food Trust“, die im Rahmen des Programms „Eat better, start better“ erarbeitet wurden (6). Im Jahr 2017 musste der Children´s Food Trust seine Arbeit wegen fehlender Finanzierung einstellen. (9)
In Großbritannien werden etwa 32 % der Kinder unter drei Jahren und 38 % der Kinder über drei Jahren in formaler Kindertagesbetreuung betreut (letzter Stand 2018 vor Austritt Großbritanniens aus der EU). (11) Die Tageseinrichtungen bieten entweder selbst Essen an oder die Kinder bringen Lunchpakete von zuhause mit. Schätzungen zufolge (2017) greifen 39 bis 49 % der Tageseinrichtungen auf die Möglichkeit mitgebrachter Lunchpakete zurück. Eine Studie ergab, dass 42 % der mitgebrachten Mahlzeiten Chips, 24 % Süßigkeiten und meistens ein gesüßtes Getränk enthielten (1). Verlässliche Zahlen zur Verpflegungssituation liegen nicht vor. Kinder ab vier Jahren erhalten in öffentlichen Schulen eine kostenlose Mahlzeit (Universal Infant Free School Meals, UIFSM). (10) Für Schulen gelten verpflichtende Qualitätsstandards für die Schulverpflegung. (12) (siehe NQZ-Artikel Schulverpflegung in Großbritannien).
- Österreich
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In Österreich werden etwa 15 % der Kinder unter drei Jahren und 55 % der Kinder älter als drei Jahre in Kindergärten betreut. Für Fünfjährige ist das Kindergartenjahr vor Schulbeginn verpflichtend, für 20 Stunden pro Woche ist der Besuch gebührenfrei. (11, 15) Empfehlungen der nationalen Ernährungskommission für das Mittagessen im Kindergarten gibt es in Österreich seit 2017. Sie beinhalten Mindestanforderungen für die Speiseplangestaltung (7). Laut der "Erhebung zur Verpflegungssituation in österreichischen Kindergärten" (2016) isst jedes zweite österreichische Kind sein Mittagessen in der Kita, weshalb bereits 83 % der Kitas ein Mittagessen anbieten. Jedoch weist die Bereitstellung des Mittagsessens starke regionale Unterschiede auf.
Die Mehrheit der österreichischen Kitas wird von externen Speisenanbietern beliefert (31 %). 30 % der Kitas erhalten ihr Mittagessen von Gemeinschaftsverpflegungsanbietern anderer Einrichtungen (z. B. Altenheime in der Nähe), weitere etwa 19 % von Gasthäusern, nur etwa 15 % der Kitas kochen selbst. In diesem Fall wird das Mittagessen vorwiegend in eigener Küche mit Fachpersonal zubereitet und nur sehr selten von den pädagogischen Fachkräften. Im Bundesvergleich fallen ebenfalls regionale Unterschiede hinsichtlich der Verpflegungsanbieter auf.
- Schweden
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Das schwedische Bildungssystem sieht eine Vorschule als frühkindliches Bildungs- und Betreuungsangebot für alle Kinder im Alter von 1 bis 6 Jahren vor, eine Vorschulklasse für 6-jährige Kinder ist verpflichtend. Kommunen müssen eine öffentlich subventionierte Kindertagesbetreuung für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr anbieten. Ab dem 3. Lebensjahr haben alle Kinder Anspruch auf eine kostenlose Vorschulbetreuung (mindestens 15 Stunden/Woche). Etwa 85 % aller Kinder im Alter von 1 bis 5 Jahren gehen in Schweden in eine Vorschule (51 % Einjährige, 91 % bzw. 94 % Zwei- bzw. Dreijährige, 95 % Vier- und Fünfjährige) (2019). Jede Kommune ist für die Mahlzeitenversorgung in Vorschulen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zuständig. Verbindliche Vorgaben für ein bedarfsgerechtes, kostenloses Mittagessen sind im schwedischen Vorschul-Curriculum verankert (1, 3). Wie die Mahlzeiten im Einzelnen ausgestaltet werden sollen, zeigen die Richtlinien "Good meals in preschool". Diese werden von den Einrichtungen auf freiwilliger Basis umgesetzt (4). Daten zur Qualität der Verpflegung sind bislang nicht bekannt (1).
Fazit
In den betrachteten Ländern gibt es unterschiedliche Ansätze, um die Verpflegung in Kindertageseinrichtungen zu verbessern. Diese können Orientierung geben, sind jedoch häufig nicht verbindlich. Durch den Mangel an Monitoringsystemen kann außerdem in vielen Ländern weder die Verpflegung und die Nährstoffversorgung der Kinder noch die Einhaltung von Richtlinien und Standards beurteilt werden. Verschiedene Studien zeigen aber auch, dass Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas dort, wo sie angewendet werden, positiv wirken: Die Zufriedenheit mit dem Angebot und die Qualität des Essens waren nach Einführung verbindlicher Vorgaben erheblich höher als vorher (1, 8). Qualitätsstandards werden besser eingehalten, wenn sie an entsprechende Rahmenbedingungen gekoppelt sind, wie z. B. finanzielle Förderung oder fachliche Unterstützung (17).
Quellen
- Lucas PJ, Patterson E, Sacks G, Billich N, Evans CEL: Preschool and School Meal Policies: An Overview of WhatWe Know about Regulation, Implementation, and Impact on Diet in the UK, Sweden, and Australia. Nutrients (2017)
- Richtig essen von Anfang an: Erhebung zur Verpflegungssituation in österreichischen Kindergärten (2016).
- Skolverket [Swedish National Agency for Education]: Curriculum for the Preschool Lpfö 98 Revised 2010
- Livsmedelsverket [Swedish National Food Agency]. Bra måltider i Förskolan [Good Meals in Preschool] (2016)
- Department for Education of the United Kingdom: Statutory Framework for the Early Years Foundation Stage. Setting the Standards for Learning, Development and Care for Children from Birth to Five (2012)
- The Children’s Food Trust. Eat Better Start Better, Voluntary Food and Drink Guidelines for Early Years Settings in England - A Practical Guide (2012)
- Österreichische Empfehlung für das Mittagessen im Kindergarten
- Tecklenburg E, Arens-Azevêdo U, Pfannes U: Verpflegung in Kindertageseinrichtungen (VeKita): Ernährungssituation, Bekanntheitsgrad und Implementierung des DGE-Qualitätsstandards, in: Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Ernährungsbericht 2016
- BBC News vom 24.07.2017
- European Education and Culture Executive Agency (Eurydice). Key data on early childhood education and care in Europe: 2019 edition. Publications Office of the European Union, 2019
- Europäische Statistikbehörde (eurostat): Kinder in formale Kinderbetreuung oder Bildung nach Altersklassen und zeitlicher Nutzung - % der Population in der Altersklasse - EU-SILC Erhebung
- UK Legislation (2014): The Requirements for School Food Regulations 2014
- Eurydice: Early childhood education and care in Sweden
- Australian Government Department of Education: Childcare Subsidy Data Report 2022
- Eurydice: Early childhood education and care in Austria
- OECD: Starting Strong 2017 – Key OECD Indicators on Early Childhood Education and Care
- Andreyeva T, Xiaohan S, Mackenie C, Kenney E: Implementation of Minimum Nutrition Standards and Best Practices in Childcare Centers. Journal of the academy of nutrition and dietetics. Copyright 2021 by the Academy of Nutrition and Dietetics.