Kinder und Küchenkraft entdecken Lebensmittel.
Gute-Kita-Gesetz

Gemeinsame Orientierung schafft Sicherheit

Quelle: INA.KINDER.GARTEN gGmbH

Der Berliner Träger INA.KINDER.GARTEN unterhält seit 2004 als gemeinnützige GmbH im Berliner Stadtgebiet 20 Kindertagesstätten. Mit den Trägerschwerpunkten Gesundheit, Ernährung sowie Diversity und Gender setzt die Geschäftsführung Meilensteine für die gesunde frühkindliche Entwicklung. Der Schwerpunkt Ernährung und gesunde Kita-Verpflegung war von Beginn an eng mit Ernährungsbildung verbunden. Für die Umsetzung in die Praxis engagierte das Geschäftsführerinnen-Team 2007 eine Oecotrophologin, zunächst als Honorarkraft, dann als festangestellte Referentin für Gesundheit.

Bildungsaspekt optimierter Mahlzeiten

Der Qualitätsentwicklungsprozess begann mit einer Bestandsaufnahme. Damit die Kitas nach einheitlichen Verpflegungsstandards kochen, hat Oecotrophologin Änne Fresen seinerzeit ein Schulungskonzept erarbeitet und dies in jeder Kita als Fortbildung sowohl für die pädagogischen Fachkräfte als auch für die Küchenfachkräfte umgesetzt. Oberste Zielsetzung war, ein gemeinsames Verständnis von gesundheitsförderlicher und vollwertiger Ernährung zu entwickeln. Die Kommunikation auf Augenhöhe war dabei wichtig. „Es ging sowohl um die Optimierung der Rezepturen und Speisepläne durch die Küche, als auch um die ernährungsbildende Begleitung der Mahlzeiten durch die pädagogischen Fachkräfte. Für einige Mitarbeitende war das eine große Herausforderung“, so Änne Fresen. Der Rückhalt des Trägers war bei diesem Vorgehen maßgeblich. „Der Geschäftsführung ist die vollwertige Ernährung der Kinder sehr wichtig. Wir möchten Ernährung und Pädagogik verbindlich miteinander verknüpfen und den Bildungsaspekt der Mahlzeiten aufgreifen.“ Geschmacksbildung, die Wahrnehmung von Hunger und Sättigung oder Ess-Rituale: „Man muss die Kinder einbeziehen und viel selber machen lassen. Es geht darum, dass sie sich Ernährungskompetenzen aneignen können.“

Kochen vor Ort als pädagogischer Faktor

Wissenschaftliche Basis der Schulungen war zunächst die optimierte Mischkost (optiMIX® FKE), später mit dessen Veröffentlichung 2009 der Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Langfristig war unser Ziel, uns extern durch die DGE zertifizieren zu lassen“, so Fresen. In einem Verpflegungskonzept sind u.a. Standards zum Lebensmitteleinkauf (z. B. Bevorzugung von Bio-Lebensmitteln), zur frischen Zubereitung und zur Speisenplanung festgeschrieben. Jede Kita kauft selbst ein, der Wareneinsatz pro Kind und Mittagessen/Tag liegt bei 1,14 Euro, was ungefähr dem Verpflegungsanteil der Eltern entspricht. Diese und alle weiteren Kosten werden aus dem jeweiligen Sachkosten-Topf der Kita gedeckt.

„Das Sachkosten-Budget für einen Küchenbetrieb kalkuliert der Berliner Senat nach unseren Berechnungen pauschal mit ca. 3 Euro je Mittagessen. Diese Summe reicht zur Abdeckung der Betriebs-,  Investitions-,  Personal- und Lebensmittelkosten nicht aus. Das Kochen vor Ort ist aber für uns ein wichtiger pädagogischer Faktor und wir schaffen dafür intern einen Kostenausgleich. Es geht uns um ein vollwertiges Verpflegungsangebot, nährstoffschonendes Kochen und eine attraktive Präsentation. Wir verwenden z. B. ausschließlich Bio-Fleisch, das ist uns wichtig. Insgesamt bedingt alles eine entsprechende technische Ausstattung und optimale Abläufe in der Küche“, erklärt Änne Fresen. Der nächste Schritt im Qualifizierungsprozess war, die Mahlzeitenbegleitung und ernährungsbildende Aspekte stärker in den Fokus zu rücken. Im Team mit den Kolleg*innen der pädagogischen Fachberatung konnte ein Konzept für Ernährungsbildung erarbeitet und dafür Evaluationskriterien entwickelt werden. „Das erfordert einen ständigen Austausch unter Beteiligung der Kinder, jede Kita muss sich jährlich intern evaluieren."

Eigene Evaluationskriterien zur Ernährungsbildung

Ein angenehmes und anregendes Lernumfeld für gesunde und nachhaltige Bildung und Entwicklung sowie für genussvolles Essen sind bei der INA Qualitätsanspruch und Teil des ernährungspädagogischen Handlungsfelds. Dazu gehört etwa, dass pädagogische Fachkräfte die Kinder bei der Gestaltung der Mahlzeiten und an der Essatmosphäre beteiligen, dass sie sich als  Vorbilder der Kinder bewusst sind und dass sie die individuellen Ernährungsbedürfnisse der Kinder wahr und ernst nehmen. „Bei der internen Evaluation ist uns wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte nach einer Einführung in die Evaluation die Umsetzung der Kriterien und Prozesse selber reflektieren. Ihre Einschätzungen tragen sie dann im Kita-Team zusammen und besprechen und dokumentieren Ergebnisse und Veränderungsmaßnahmen, wie z. B. eine intensivierte Elternarbeit. Oder sie stellen im Rahmen der Evaluation fest, dass etwa bei der Mahlzeitengestaltung mit den U3-Kindern noch viele Fragen auftauchen. Dann organisieren wir dazu einen fachlichen Austausch mit der Fachberatung“, erläutert Änne Fresen.  „Ein Thema, das immer wieder aufkommt, ist die Gestaltung von Festen und der Umgang mit Süßigkeiten. Die Diskussionen dazu tragen auch dazu bei, dass die pädagogischen Fachkräfte ihre persönliche Einstellung dazu reflektieren und eine professionelle Haltung dazu entwickeln können.“

Pädagogische Herangehensweise: Situationsansatz

Die konkrete Gestaltung der Mahlzeitensituationen bleibt in der Verantwortung der pädagogischen Fachkräfte. „Schwerpunkt ist hier der Situationsansatz, also zu schauen, welche Bedürfnisse und Themen das Verhalten der Kinder gerade bestimmen. Bei besonderem Essverhalten, gesundheitsbedingter Sonderkost oder bei ausgefallenen Wünschen der Eltern verstehe ich mich als Vermittlerin und fachliche Ansprechpartnerin“, so Änne Fresen. Die unterschiedlichen Lebenssituationen der Kinder können die Kitas in der Verpflegung abbilden. „Wir schreiben vielfältige Speisepläne, in die wir Rezepte der Eltern und Wünsche der Kinder aufnehmen. Es geht darum, die jeweilige Familienkultur zu berücksichtigen.“

Im Eingangsbereich jeder Kita ist der tägliche Kinderspeiseplan sichtbar. „Überwiegend legen wir die Lebensmittel aus, damit die Kinder begreifen und verstehen, woraus ihr Mittagessen hergestellt wird. Sofern das hygienisch nicht möglich ist, verwenden wir Bilder.“ In vielen Kitas kochen und probieren Kinder, pädagogische Fachkräfte und Küchenfachkräfte regelmäßig kleine Gerichte zusammen. „Allen Familien stellen wir Kita-Rezepte zum Nachkochen für zuhause auf unserer Website zur Verfügung.“

Erfolgsfaktoren für Gesundheit und Ernährungsbildung

Entscheidender Erfolgsfaktor ist aus Sicht von Änne Fresen ein einheitliches und wissenschaftlich fundiertes  Konzept, das Gesundheitsförderung und Ernährungsbildung in den Vordergrund stellt. „Das gibt den Rahmen vor, an dem sich alle orientieren.“ Wichtig ist auch die enge Zusammenarbeit von Küchenfachkräften und Pädagogen sowie mit den Familien. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist das ganzheitliche Lernen: Durch die Großküche in der Kita erleben Kinder, wo und wie das Mittagessen gekocht wird, wenn leckere Düfte durch das Haus ziehen. „Vollwertige Ernährung beginnt für uns im Bio-Garten. Die Kinder erleben mit Kopf, Herz und Hand, wie Kräuter, Obst und Gemüse auf unseren Beeten wachsen. Sie erleben die Natur mit allen Sinnen und können so einen Bezug dazu entwickeln. Wir legen Ackerflächen an, die von den Kindern bearbeitet werden. Sie lernen jahreszeitliche und regionale Obst- und Gemüsesorten wie z. B. Palmkohl kennen. In vielen Kitas unterstützt uns die GemüseAckerdemie mit ihrem Bildungsprogramm.“

Wie geht es weiter?

„Wir haben schon viel geschafft, seit 2013 sind unsere Kitas von der DGE zertifiziert. Über die Jahre ist zur vollwertigen Ernährung sehr viel Akzeptanz entstanden. Aber es bleibt ein dauerhafter Prozess, weil wir immer wieder mit neuen Menschen in Kontakt kommen, die andere Einstellungen und Lebenssituationen mitbringen. Derzeit konkretisieren wir unser Konzept für Ernährungsbildung und gestalten die Kriterien weiter aus. Wir müssen den Sinn und die Inhalte unseres Konzeptes immer wieder deutlich machen, das Qualitätsteam muss dranbleiben: Es geht um die Zukunft unserer Kinder, die wir dabei unterstützen wollen, nachhaltige Gesundheits- und Ernährungskompetenzen zu erwerben. Und wir möchten uns zukünftig noch mehr für den Klimaschutz engagieren und haben dazu unsere Beiträge bereits in einem Nachhaltigkeitskonzept zusammengetragen.“

Derzeit einziger Träger mit Zusatzzertifikat

Die Bemühungen um mehr Nachhaltig waren erfolgreich: Seit 2017 ist der Kita-Träger mit dem Zusatzzertifikat der DGE „Nachhaltige Verpflegung“ ausgezeichnet. Die Zertifizierungskriterien sind in fünf Themenbereiche untergliedert (Qualitätsentwicklung, Planung, Einkauf, Zubereitung/Ausgabe, Reinigung/Entsorgung sowie der „Blick über den Tellerrand“). In jedem Bereich gibt es verschiedene Nachhaltigkeitskriterien, von denen mindestens 30 % erfüllt werden müssen, um die Zertifizierung erfolgreich abzuschließen.

Kontakt und Informationen

 

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