Kita-Kind kocht am Spielzeugherd.

München: Mentoring für Hauswirtschaftskräfte bei Systemwechsel

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Mit einem Pilotprojekt hat die Stadt München die Einführung einer Frisch-Mischküche in 30 Kindertageseinrichtungen erprobt. Das Besondere am Projekt ist die Qualifizierung der Hauswirtschaftskräfte. Das hat mehr als nur die Ernährungsbildung gestärkt.

Was in den Kinderkrippen schon lange Standard ist, soll langfristig auch in möglichst vielen Kitas realisiert werden. 2019 konnte Silke Schöngart-Mühlegg, Sachgebietsleitung in der Fachberatung im Geschäftsbereich KITA, den Stadtrat überzeugen, an 30 Kita-Standorten die Tiefkühl‑Mischküche sukzessive durch eine Frisch-Mischküche zu ersetzen. Als Modell sollte das Projekt notwendige Maßnahmen für einen Wechsel der Verpflegungssysteme erproben und eine Datenbasis dafür liefern, ob und inwieweit eine Ausweitung auf alle städtischen Kitas in München realisierbar ist.

Enge Verzahnung von Ernährungsbildung und Hauswirtschaft

Zielsetzung des Projektes war, möglichst optimale Bedingungen für Ernährungsbildung zu schaffen. „Wir haben gesehen, dass viele Kinder, die in den Kinderkrippen das frisch gekochte Essen gewohnt waren, bei einem Wechsel in den Kindergarten sehr irritiert waren.“ Mit Blick auf die sensible Phase der frühen Bildung ist Silke Schöngart-Mühlegg überzeugt, mit einer Frisch-Mischküche mehr Anknüpfungspunkte zur Ernährungsbildung realisieren zu können. „Es ging uns insbesondere um die Bildungsmöglichkeiten, die wir mit der Verarbeitung von möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln und entsprechendem küchenpraktischen Know-How in der Kita in den Fokus nehmen wollten.“

Und mit einem Vorurteil wollte sie außerdem aufräumen: Dass eine Frisch-Mischküche zu teuer ist. „Meistens richtet sich der Blick zuerst auf die Investitionskosten und nicht auch auf die Betriebskosten. Wir wollten zeigen, dass dieser Verpflegungssystemwechsel weitestgehend kostenneutral erfolgen kann.“ Im Projekt konnte gezeigt werden, dass sich der Wareneinsatz reduziert, wenn weniger regenerierfertige Produkte eingekauft werden – auch vor dem Hintergrund der zeitweise inflationsbedingt gestiegenen Lebensmittelpreise.

IST-Analyse

Zu Projektbeginn fand eine ausführliche IST-Analyse der 30 Standorte statt. „Wir wollten wissen, unter welchen Voraussetzungen Mahlzeiten in diesen Kitas angeboten werden. Die IST-Analyse hat gezeigt, dass die Einrichtungen sehr individuelle Strukturen und Voraussetzungen zur Mahlzeitenversorgung aufweisen, z. B. in Hinsicht auf die Anzahl der zu versorgenden Kinder. In großen Projektteam-Besprechungen haben wir für unser Vorhaben geworben und Vorbehalte nehmen können.“

Wichtig war Silke Schöngart-Mühlegg, alle relevanten Stellen von Anfang an einzubinden. „Sei es das Baureferat, die zuständigen Personalstellen wie auch der KITA-Personal- bzw. Betriebsrat, alle waren dabei, um bei der Aufgabenstellung kontinuierlich zu unterstützen.“ Trotz Corona-Pandemie konnten alle Einrichtungen wie geplant im Fünfjahreszeitraum auf den Weg gebracht werden. „Einer der Gelingensfaktoren ist, dass wir bestmöglich alle relevanten Personen einbezogen haben. Alle Menschen, die in einer Kita arbeiten – und das sind die pädagogischen Fachkräfte, die Leitungsebene und die hauswirtschaftlichen Fachkräfte wie angelernte Mitarbeiter*innen – sollen gemeinsam den Umstellungsprozess starten und die Herausforderungen benennen und angehen. Dabei werden sie eng von uns begleitet.“

Qualifizierung der Hauswirtschaftskräfte: Bildungs-Tandems

Die Umstellung erforderte ein hohes Maß an Kommunikation und das Werben um Verständnis für das Projekt. „Viele Hauswirtschaftskräfte hatten großen Respekt vor ihrer neuen Aufgabe, die Mahlzeiten selbst zuzubereiten, statt nur zu regenerieren.“ Um die Mitarbeiterinnen zu qualifizieren, setzt Silke Schöngart-Mühlegg auf Mentoring-Teams. „Wir nutzen die Expertise unser Hauswirtschaftsfachkräfte, indem wir sogenannte Kompetenz-Standorte bestimmt haben, die einen oder mehrere Projekt-Standorte schulen bzw. im Umsteuerungsprozess sehr nah begleiten. Damit haben wir kurze Wege und den schnellen Dialog gesichert, wenn im Küchenalltag spontan Fragen auftauchen. Die Kolleginnen können außerdem in den Kompetenz-Standorten hospitieren.“ Diese Art der Qualifizierung ist gerahmt durch Schulungen für alle, z. B. zum Thema Arbeitsorganisation. „Eine zentrale Fragestellung ist: Wie gestalte ich die Arbeitsabläufe so, dass das Mittagessen pünktlich auf dem Tisch steht.“

„Das Mentoring-Konzept zeigt einen gigantischen Mehrwert, wenn Hauswirtschaftskräfte sich gegenseitig auf kurzem Weg Mut machen oder Fragen beantworten. Wir sehen, dass da ein Rollenwechsel stattgefunden hat und die Kolleg*innen mit hoher Motivation ihre neue Aufgabe angehen, vor der sie vorher großen Respekt hatten.“
Silke Schöngart-Mühlegg, Sachgebietsleitung

Mehrwert auf verschiedenen Ebenen

„Dieser Systemwechsel zeigt auf verschiedenen Ebenen viele positive Effekte“, so Silke Schöngart-Mühlegg:  

  • "Wir stärken die Qualifizierung von Hauswirtschaftskräften, in aller Regel Frauen. Das führt etwa zu mehr Identifikation mit der Tätigkeit, höherer Arbeitszufriedenheit und weniger Krankheitstagen.
  • Wir können mit der Frisch‑Mischküche außerdem Bio-Anteile etwas einfacher umsetzen, weil die Küchen flexibler planen können.
  • Das Projekt fördert zudem die Kommunikation in den Einrichtungen selbst und auch zwischen den Einrichtungen. Die klassischen Hierarchieebenen zwischen Pädagogik und Hauswirtschaft konnten aufgeweicht werden, so dass alle als Team an einem Strang ziehen. Das hat unter anderem zu einer Verringerung von Tellerresten geführt.
  • Es ist jetzt viel einfacher möglich, dass sich die Einrichtungen am DGE-Qualitätsstandard orientieren, weil sie Mengen und Portionsgrößen sukzessive verändern und sich auf die Bedürfnisse der Kinder besser einstellen können. Das sehen wir als großes Plus im Qualitätsprozess.
  • Wie sehen unsere Zielsetzung, die Ernährungsbildung zu stärken, als umgesetzt an. Die Kinder haben einen deutlich intensiveren Bezug zu der Person, die ihr Essen zubereitet hat, sie sind aufgeschlossener, neue Lebensmittel zu probieren, weil der Kochprozess ein fester Bestandteil des Kita-Alltags geworden ist. Die Rückmeldungen aus den Kitas sind sehr positiv, dass Kinder etwa jetzt Lebensmittel oder Speisen essen, die sie vorher nie probieren wollten.
  • Leitungen berichten uns, dass sie Rezepte für das Mittagessen jetzt für die Eltern aushängen, weil es den Kindern so gut geschmeckt hat.
  • Wir sind sicher, dass diese neue verbindende Beziehungsebene Kinder-Küche-Pädagogik hier einen sehr großen Einfluss genommen hat."


Aufgrund der positiven Ergebnisse hat der Stadtrat vorbehaltlich der Haushaltssituation beschlossen, das Projekt auf alle städtischen Kitas kontinuierlich auszuweiten.

Kontakt

Silke Schöngart-Mühlegg
Landeshauptstadt München
Referat für Bildung und Sport - Geschäftsbereich KITA
Abteilung Fachberatung und Fachplanung - Sachgebietsleitung

E-Mail: s.schoengartmuehlegg@muenchen.de