Jugendliche Schülerin steht in der Mensa an der Salatbar.

Göttingen: Qualitätsentwicklungskonzept Kita- und Schulverpflegung

Quelle: AdobeStock © Jaroslav Machacek

In Göttingen wird die Verpflegung aller kommunalen Kindertageseinrichtungen und Schulen zentral organisiert. Über die Vorteile des Modells „Kommunal und aus einer Hand“ sprachen wir mit Anja Köchermann, Diplom-Ökotrophologin und zuständige Fachdienstleiterin.




Die Stadt Göttingen betreibt die Kita- und Schulverpflegung in stadteigenen Produktionsküchen bereits seit den 1975er Jahren. Der Ganztagsschulausbau Anfang der 2000er Jahre und damit der gestiegene Bedarf an Schulmahlzeiten machte eine Neuausrichtung notwendig. Um den Ansprüchen an Qualität und Wirtschaftlichkeit auch auf lange Sicht gerecht zu werden, beauftragte die Stadt 2007 eine Bestandsanalyse der Kita- und Schulverpflegung als Basis für ein Qualitätsentwicklungskonzept. Leitfaden der Bestandsaufnahme waren unter anderem die damaligen DGE-Qualitätsstandards. Zudem befragte die Stadt Kita- und Schulleitungen sowie Eltern- und Schüler*innenvertretungen zu Rahmenbedingungen und Wünschen.

Es zeigten sich sehr heterogene Verpflegungsstrukturen, mit standortabhängigen Kosten, Preisen und auch Akzeptanz. Hier wollten die Verantwortlichen mehr Gleichberechtigung schaffen. Aus den Ergebnissen ließen sich konkrete Schritte für eine Qualitätsentwicklung ableiten: Der Aufbau ausreichender Kapazitäten durch den Bau weiterer Produktionsküchen, eine Qualitätsverbesserung auf Basis einheitlicher Standards für alle Produktions- und Ausgabeküchen sowie die zentrale Steuerung aller Bereiche der Gemeinschaftsverpflegung durch den Träger. Mit dem Projekt war außerdem die Schaffung einer Vollzeitstelle verbunden, mit der das Qualitätsentwicklungskonzept umgesetzt und vorangebracht werden sollte. Seit 2008 ist diese Fachdienststelle, die in der Schulverwaltung verankert ist, mit Anja Köchermann besetzt.

Göttinger Modell: Akzeptanz und Teilnahmequoten gestiegen

Heute werden 30 städtische Schulen und 13 kommunale Kitas durch vier Produktionsküchen versorgt, täglich werden bis zu 6.000 Mahlzeiten produziert. Dass die Qualitätsstrategie gelungen ist, zeigen Zahlen: Die Akzeptanz der Schulverpflegung und damit die Teilnahmequote ist seither kontinuierlich gestiegen. Das hat die Wirtschaftlichkeit nachweislich und maßgeblich verbessert und zur Stabilität der Preise beigetragen. „Wir haben außerdem Qualität und Angebot stetig gesteigert“, fasst Anja Köchermann zusammen. Die jährliche Preisanpassung liegt seit 2012 konstant bei 3 %. Weil die Produktionsküchen zur Stadt gehören, können die Mahlzeiten zudem mehrwertsteuerbefreit abgegeben werden. Derzeit liegt der Mahlzeitenpreis im Abonnement bei 4,09 Euro für Grundschulen und 4,22 Euro für weiterführende Schulen. Spontanesser zahlen einen geringfügig höheren Preis. Ein weiterer Qualitätsbaustein des Konzeptes ist die sozialversicherungspflichtige und tarifgebundene Beschäftigung des Küchenpersonals.

Nachhaltiger Speiseplan, der Essgewohnheiten berücksichtigt

Die Mahlzeiten für die Kitas und für einen Großteil der Schulen werden aus den Produktionsküchen warm ausgeliefert. „Einige Schulmensen haben auch Gargeräte, mit denen wir sensible Speisen oder Komponenten wie Gemüse, Pizza oder Backkartoffeln vor Ort herstellen können“, erklärt Köchermann. Der Speiseplan ist für alle Einrichtungen einheitlich, aber auf die unterschiedlichen Altersgruppen abgestimmt. Das Mahlzeitenangebot ist abwechslungsreich, pflanzlich betont und orientiert sich am DGE-Qualitätsstandard. „In den weiterführenden Schulen bieten wir zusätzlich eine Pasta-Station und eine Salatbar an. Für die Kitas und Grundschulen stellen wir Gemüserohkost als Fingerfood her. Das ist zwar kostenintensiv, aber anders essen die jüngeren Kinder kaum Gemüse.“ Das pflanzenbetonte Angebot wird mittlerweile gut angenommen, weil Vorlieben der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt werden. „Entscheidend für die Akzeptanz ist, dass die vegetarischen Gerichte lecker schmecken und schön zubereitet sind.“ Ein Schulungskonzept sichert hier die Professionalität des Küchenpersonals. Mittlerweile wird in den Produktions- und Ausgabeküchen auch eigenes Personal in den anerkannten Berufen Hauswirtschafter*innen oder Köch*innen ausgebildet.

„Kita- und Schulverpflegung ist eine große Aufgabe, die Weitblick und Interaktion erfordert. Um die Bedürfnisse von Kitas, Schulen, Eltern, Verwaltung, Küche sowie der Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen, müssen wir die Rahmenbedingungen gut kennen und ein abgestimmtes Konzept verwirklichen. Das erfordert stetige Kommunikation, die jemand lenken muss.“
Anja Köchermann, Fachdienstleiterin

Wichtige Gelingensfaktoren: Zentrale Schnittstellenmanagerin und gut ausgebildetes Personal

Durch die zentrale Steuerung besteht direkter Einfluss auf die Qualität der Speisen. „Es ist ganz wichtig, ein Verständnis von der Ganzheitlichkeit der Verpflegungsaufgabe zu haben. Wir können selbst gestalten und umlenken, sofern das erforderlich ist. Das wäre nicht so, würden wir die Verpflegungsleistung teilweise oder ganz extern vergeben.“, nennt Anja Köchermann die Vorteile. „Außerdem können wir an wichtigen Nachhaltigkeitszielen arbeiten und diese sukzessive umsetzen.“ Die Stadt Göttingen nimmt unter anderem an Nachhaltigkeitsprojekten teil, wie z. B. KEEKS, CLIKIS oder BiTe. So konnten etwa Treibhausgasemissionen durch die Speisen- und Rezepturplanung sowie die Produktion der Mahlzeiten um 17 % und Speiseabfälle um 50 % gesenkt werden.

Dass rund um die Gestaltung der Kita- und Schulmahlzeiten immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten entstehen, liegt in der Natur der Sache. „In der Regel liegt es nicht an der Qualität des Essens. Wir haben es mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen zu tun, meistens liegen die Gründe woanders. Man muss genau zuhören und zwischen den Akteuren vermitteln. Dazu braucht es einen zentralen Kümmerer und gut ausgebildetes Personal, von der Geschäftsleitung über den Koch bis zur Küchenkraft.“ Anja Köchermann versteht sich deshalb als Moderatorin und Schnittstellenmanagerin. „Mein Fokus liegt darin, immer wieder zu motivieren und neue Wege zu finden.“

Zusammengefasst: Göttinger Standards

  • stadtweit einheitliches Vorgehen, zentral gesteuert
  • Preise und Preisentwicklung für alle Einrichtungen gleich
  • zentrale Speiseplanung
  • pflanzenbetonte Rezepturen
  • regional und saisonal orientierter Einkauf
  • ganzheitliche, nachhaltige und klimaeffiziente Prozesse
  • durchgängige Hygienekonzeptionen für alle Einrichtungen
  • einheitliches Ausstattungskonzept für alle Schulmensen
  • zentrales EDV-basiertes bargeldloses Bestell- und Abrechnungssystem
  • tarif- und sozialgebundene Beschäftigungsverhältnisse

Vorteile des Göttinger Modells

  • bringt alle Beteiligten an einen Tisch
  • ermöglicht ganzheitlichen und wissenschaftsbasiertem Ansatz
  • ist kontinuierlicher und aktiver Prozess auf Basis von Qualitätsstandards
  • berücksichtigt aktuelle gesellschaftliche Themen
  • direkte Weisungsbefugnis ermöglicht flexiblen Personaleinsatz
  • kontinuierlicher Kontakt zu Einrichtungen zur Qualitätssicherung
  • Planungssicherheit
  • steigende Akzeptanz und Teilnahmequoten
  • Kosten- und Leistungsrechnung auf Trägerebene
  • hohe Wirtschaftlichkeit (z. B. Belieferung eigener Einrichtungen spart Mehrwertsteuer und senkt den Mahlzeitenpreis)
  • Synergieeffekte: Die Zusammenfassung von Arbeits- und Organisationsvorgängen, die alle Schulen/Kitas betreffen (z. B. Bestell- und Abrechnungssystem), schafft hohe Effizienz und spart Zeit und Kosten. Entsprechendes Fachwissen muss nur an zentraler Stelle vorhanden sein.

Kontakt

Anja Köchermann
Stadt Göttingen
Fachbereich Schule
Fachdienstleitung Küchenbetriebe
37085 Göttingen
E-Mail: a.koechermann@goettingen.de