Kellner hält viele gestapelte Teller mit Essensresten in der Hand.
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Schulische Interventionen gegen Lebensmittelverschwendung sind wirksam

Quelle: AdobeStock © kpn1968

Zwei internationale Fall-Studien haben sich mit schulischen Interventionen zur Verringerung von Lebensmittelabfällen auseinandergesetzt. So unterschiedlich die Herangehensweise, so gleichlautend das Fazit: Maßnahmen in Schulen helfen, Lebensmittelabfälle deutlich zu reduzieren.

Lebensmittelabfälle haben einen weitreichenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Fußabdruck. Entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette vom Anbau bis auf den Teller gehen weltweit etwa ein Drittel der Lebensmittel verloren, die eigentlich für die menschliche Ernährung produziert wurden. Nicht umsonst nehmen die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen die Reduktion der global anfallenden Lebensmittelabfälle mit in den Blick.

Auch Deutschland hat sich 2019 mit einer Nationalen Strategie (Zu gut für die Tonne!) ein Ziel zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung gesetzt. U.a. sollen in der Außer-Haus-Verpflegung bis 2025 Lebensmittelabfälle um 30 % reduziert und bis 2030 halbiert werden. Die im Januar 2022 gestartete und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung koordiniert dabei den Dialog in der Branche. Auch Kitas, Schulen und Speisenanbieter sind als Akteure angesprochen. Mit einer abfallarmen Schulverpflegung haben sich außerdem bereits verschiedene andere Forschungsvorhaben auseinandergesetzt und aus den Ergebnissen effektive Handlungsempfehlungen abgeleitet (z. B. KEEKS, REFOWAS).

Internationale Studien stützen Wirksamkeit schulischer Interventionen

Zwei weitere Studien zeigen die Wirksamkeit von Maßnahmen im Setting Schule zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. So haben Wissenschaftler*innen in einer Fallstudie an fünf Schulen im spanischen Barcelona erprobt, ob sich Lebensmittelreste durch Nudging-Maßnahmen vermeiden lassen. Per Methodenmix wurden folgende Interventionen durchgeführt:

  • Beobachtung der am Essen teilnehmenden Schüler*innen und der Küchenkräfte über drei bis fünf Tage, um Abläufe in der Schulkantine zu erfassen. Alle teilnehmenden Schulen produzierten ihre Schulmahlzeiten täglich vor Ort. Das Essen wird entweder von Küchenkräften in Schüsseln am Tisch serviert oder die Küchenkräfte bereiten fertige Teller zur Ausgabe vor.
  • Messung der Menü-Reste über einen Zeitraum von 10 Tagen
  • Nudging-Strategie-Design unter Zuhilfenahme der Ergebnisse aus Beobachtung und Messung in Absprache mit der Küchenleitung
  • Nudging-Strategie-Implementierung und erneute Messung der Menü-Reste


Im Durchschnitt erfassten die Wissenschaftler*innen bei der ersten Messung etwa 21 kg Lebensmittelabfall als Menü-Rest pro Schule täglich. Als Ursachen identifizierte die Studie u.a. die Tatsache, dass die Schüler*innen den Speiseplan vorab nicht kannten. Auch zeigte sich, dass sich Schüler*innen gleich zu Beginn der Ausgabe größere Portionen als den vorgesehenen Standard wünschten, weil es einfacher war, Reste zurückzulassen, als um Nachschlag zu bitten. Das Dessert betreffend wurde eine große Menge an Obst (serviert als Stückobst) zurückgelassen, weil Schüler*innen nicht wussten, wie das Obst zu schneiden ist.

Rückgang der Abfälle um 41 %

Die Nudging-Maßnahmen konzentrierten sich demzufolge darauf, durch Information und Ernährungsbildung entsprechende Abhilfe zu schaffen (siehe Grafik). Die Maßnahmen führten dazu, dass sich bei der 2. Messung die tägliche Abfallmenge im Durchschnitt auf etwa 13 kg pro Schule reduzierte, das entspricht einem Rückgang von etwa 41 %.

Die Autor*innen weisen darauf hin, dass die Nudging-Maßnahmen dann besonders effektiv waren, wenn die Küchenkräfte eng eingebunden wurden. In ihrem Fazit halten sie fest, dass Nudging-Maßnahmen zur Verringerung von Lebensmittelabfällen in Schulmensen eine hohe Wirksamkeit aufweisen.

Maßnahmen-Setting um Familienhaushalt erweitert

Eine weitere Studie in Australien definierte zur Frage der Wirksamkeit schulischer Interventionen zwei Maßnahmen-Settings: Schule und Familienhaushalt der Schüler*innen. In Australien bringen die meisten Schulkinder ihre Mittagsmahlzeit von zuhause mit (lunch boxes). Ziel der Maßnahmen war u.a., Eltern dazu zu motivieren, ihre Kinder bei Auswahl und Zubereitung ihrer lunch box weitestgehend einzubeziehen. Dies war mit der Annahme verbunden, dass Kinder und Jugendliche umso eher neue Lebensmittel probieren, umso mehr essen und umso weniger wegwerfen, je mehr sie über Auswahl und Zubereitung selbst entscheiden können. Die Wissenschaftler*innen führten in einem Zeitraum von sechs Wochen folgende Maßnahmen durch:

  • Unterricht mit Inhalten zum Thema Lebensmittelverschwendung (Auswirkungen und Lösungen); ergänzt um Anregungen zu gesunden Lebensmitteln für die lunch box.
  • Einbezug der Eltern: Die Eltern erhielten schriftlich praktische Ideen zur gesundheitsförderlichen Gestaltung der lunch box, außerdem Tipps, wie sie ihre Kinder bei der Zubereitung erfolgreich einbeziehen können.
  • Praxisworkshops für Schulen, z. B. zu Themen wie Umgang mit Lebensmittelabfällen und Kompostierung.
  • Make-your-own-lunch-day: Nach Ablauf der sechs Wochen veranstalteten die Schulen einen Aktionstag, an dem Schüler*innen aufgefordert waren, ihre selbst zusammengestellte lunch box mitzubringen.

Kinder offen für neue Lebensmittel, Eltern hinterfragen Routinen

Vor und nach den Maßnahmen erhoben die Wissenschaftler*innen per Online-Befragung relevante Daten bei den Schulen, den Schüler*innen und ihren Eltern. Ergänzt wurden diese Surveys durch Eltern-Interviews und Audits in den Schulen. Die Anzahl der Schüler*innen, die angaben, Lebensmittel für ihre lunch box immer oder meistens selbst auszusuchen, stieg von etwa 46 auf 54 %. Die Zahl der Kinder, die ihre lunch box immer aufaßen, stieg von 57 auf 63 %. Alle interviewten Eltern berichteten von einem größeren Interesse ihrer Kinder bei Auswahl und Zubereitung der mitzunehmenden Schulmahlzeit und von einer größeren Bereitschaft der Kinder, sich gesündere und weniger verpackte Lebensmittel zu wünschen und zu probieren. Dies führte bei allen Eltern dazu, eingespielte Routinen beim Einkauf der Lebensmittel zu hinterfragen. Durch die Maßnahmen ergab sich in den Schulen eine Verringerung der Lebensmittelabfälle durch das mitgebrachte Mittagessen um 35 %. Die Studie zeigt, dass Interaktionen mit und in den jeweiligen Settings (z. B. Schulen, Arbeitsplatz) Verhaltensweisen beeinflussen und Lebensmittelabfälle reduzieren können, erklären die Autor*innen.

Quellen und weiterführende Informationen

  • Boulet M, Grant W, Hoek A, Raven R: Influencing across multiple levels: The positive effect of a school-based intervention on food waste and household behaviours. Journal of Environmental Management 308 (2022) 114681
    https://doi.org/10.1016/j.jenvman.2022.114681