Schulkinder am Obstbuffet
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Strukturen und Stellenwert der Gemeinschaftsverpflegung in Deutschland

Quelle: adobeStock © Robert Kneschke

Expert*innen der DGE-Fachgruppe Gemeinschaftsverpflegung geben in einem Fachartikel einen umfassenden Überblick über die Situation der Gemeinschaftsverpflegung in Deutschland. Sie zeigen Strukturen auf und stellen die Bedeutung der Gemeinschaftsverpflegung dar. So spielen etwa Mahlzeiten in Kita und Schule hinsichtlich Prävention und Gesundheitsförderung eine besonders wichtige Rolle.

Die Gemeinschaftsverpflegung (GV) in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem kontinuierlich wachsenden Teilbereich der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) entwickelt. Diese Entwicklung mit ihrer hohen Relevanz für die Bevölkerung wird von der Fachgruppe Gemeinschaftsverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) beständig in den Blick genommen. Die DGE-Fachgruppe setzt sich für einen engen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis ein, um Bemühungen zur Qualitätsentwicklung zu befördern und zu unterstützen. Mitglieder dieses Gremiums haben nun in einem Fachartikel Strukturen und Stellenwert der GV aufgezeigt und die einzelnen GV-Segmente vergleichend gegenübergestellt. Die beschriebenen Charakteristiken sollen die Schnittstellenarbeit zwischen allen beteiligten Akteuren erleichtern und zur Qualitätsentwicklung beitragen. Gleichzeitig wird Definitions- und Forschungsbedarf deutlich.

Was Gemeinschaftsverpflegung ausmacht

Bis die Speisen bedarfs- und zielgruppengerecht auf dem Teller des Tischgastes liegen, sind vielfältige Arbeitsprozesse erforderlich. Die Autor*innen beschreiben daher Prozessketten und Managementbereiche. Weiterhin geben sie einen Überblick über Speisenproduktionssysteme und Bewirtschaftungsformen und setzen den Begriff “Verpflegungssystem“ in einen umfassenden Kontext: Es müsse der gesamte Prozess betrachtet werden, begonnen bei der Planung (z. B. Angebots- und Speiseplanung, Personalbedarfs- und Einsatzplanung) bis zur Speisenausgabe, Reinigung und Entsorgung. Küchenbetriebe könnten durch ein Verpflegungskonzept einen entsprechenden Qualitätsrahmen setzen, so die Autor*innen. Hier gelte es, Qualitätskriterien für die jeweilige Lebenswelt zu definieren. Verpflegungsumfang (Teil- oder Vollverpflegung), der Grad der Inanspruchnahme, Zielgruppenorientierung und das Präventionspotenzial bieten u.a. konkrete Anhaltspunkte zur Planung und Ausgestaltung des Angebotes.     

Verpflegung in Kindertagesbetreuung und Schule im bedeutsamen Kontext

Der Fachartikel zeigt auch die hohe Bedeutung der Kita- und Schulverpflegung als eine Lebenswelt im GV-Segment Education. Die Zunahme von Ganztags-Betreuungsangeboten, ein veränderter Arbeits- und Familienalltag sowie ein höherer Anteil berufstätiger Frauen seien u.a. Gründe dafür, dass die Anzahl der in Kitas und Schulen eingenommenen Mahlzeiten kontinuierlich gestiegen ist. Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz in Grundschulen ab dem Jahr 2026/27 wird zu einer weiteren Zunahme führen, so Dr. Kerstin Clausen, Referentin im Nationalen Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (NQZ), Mitglied der DGE-Fachgruppe und Mit-Autorin des Fachartikels. Das NQZ setzt sich auf Bundesebene mit seinen Aktivitäten für eine gesundheitsförderliche und nachhaltigere Kita- und Schulverpflegung ein.

Hohes Präventionspotenzial

Die GV erreiche aber grundsätzlich alle Bevölkerungsschichten und Lebenswelten: Education (Kitas, Schulen, Hochschulen), Business (u.a. Firmen, Behörden), Care (Krankenhäuser und Reha-Kliniken) sowie Welfare (u.a. Senioreneinrichtungen, Essen auf Rädern, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Geflüchteten-Unterkünfte). Die Autor*innen betonen daher das besondere Präventionspotenzial. Schätzungen zufolge nehmen täglich mehr als 16 Mio. Tischgäste Mahlzeiten in der GV ein. Aufgrund dieser großen Zahl seien die Möglichkeiten zur Prävention enorm, wenngleich unterschiedlich ausgeprägt und abhängig vom Alter der Verpflegungsteilnehmenden.

Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen

In Kitas und Schulen kann die Gemeinschaftsverpflegung auf die Vorbeugung und Verhinderung von ernährungsmitbedingten Krankheiten Einfluss haben, erklären die Fachleute. Bundesweit nutzen etwa 2,8 Mio. Kinder das Mittagesangebot in Kitas; ihre Teilnahmequote hat sich mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige ab 2013 verdreifacht. In Schulen haben sich die Teilnahmequoten ab Beginn der 2000er Jahre durch den flächendeckenden Auf- und Ausbau der Ganztagsschulen verändert. Durchschnittlich 56 % der Grundschulkinder und 32 % der Schüler*innen weiterführender Schulen nehmen am Mittagsangebot ihrer Schule teil. Während in Kitas und Grundschulen die Inanspruchnahme häufig vertraglich geregelt und für die Eltern verpflichtend ist, können ältere Schüler*innen oft spontan entscheiden, ob sie das Angebot wahrnehmen. Dies erfordere mehr Flexibilität seitens der Betreiber, so die Autor*innen. Eine akzeptanzfördernde Gestaltung der Ess-Umgebung und ein Angebot, das den Genuss steigert, trägt damit zur Gesundheitsförderung bei.   

„Es wird sehr deutlich, dass jegliche Bemühungen zur Qualitätsentwicklung in der Gemeinschaftsverpflegung insgesamt und besonders in der Kita- und Schulverpflegung wichtig und bedeutsam sind. Insbesondere ist Professionalität auf allen Ebenen gefordert. Dafür wird sich das NQZ stark machen.“
Dr. Kerstin Clausen, Referentin im NQZ

Zentrale Rolle: Schnittstellenmanagement

Die Autor*innen beschreiben zudem vorgelagerte Prozesse, die ebenfalls qualitätsbestimmend sind. Dazu gehören z. B. die Küchenplanung sowie die Vergabe von Verpflegungsleistungen im Rahmen öffentlicher Beschaffung. Insgesamt zeigen die Fachleute die Komplexität und Heterogenität der Planungs- und Managementaufgaben auf. Die Interdisziplinarität der GV umfasse neben zahlreichen Professionen auch angrenzende Fachdisziplinen. Daraus resultiere ein notwendiges Zusammenspiel aller beteiligten Professionen im Rahmen eines Schnittstellenmanagements. Dieses müsse kontinuierliche Information, die Vermittlung unterschiedlicher Interessen und damit einen koordinierten Beitrag zur Qualitätssicherung leisten, so die Autor*innen.

Aktuelle und künftige Herausforderungen

Die im Artikel skizzierten Herausforderungen der GV betreffen ein breites Feld. Die Bewältigung der Corona-Pandemie bleibt nach Auffassung der Autor*innen auch zukünftig eine zu stemmende Aufgabe. Die Autor*innen unterstreichen außerdem die gewichtige Rolle der GV in Bezug auf nachhaltiges Handeln. Ein Problem sehen sie in der seit Jahren rückläufigen Zahl an Auszubildenden, die schon jetzt zu einem Fachkräftemangel führt. Grundsätzlich wird der demografische und gesellschaftliche Wandel den Stellenwert der GV aber weiter erhöhen, so die Prognose: Immer mehr Menschen würden künftig in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung Mahlzeiten einnehmen, wodurch das Potenzial zur Verbesserung der Gesundheit weiter wachse. Ein Appell lautet daher: Auch angesichts steigender Kosten der Gesundheitsversorgungssysteme sollten die Grundlagen einer gesundheitsfördernden Ernährung in kulinarisch anspruchsvollen Speiseplänen zusammengeführt werden. Dabei sei der Genuss und der Mehrwert in den Mittelpunkt zu stellen.

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Der vollständige Artikel ist auf den Seiten der Ernährungs-Umschau kostenfrei abrufbar.