Welche Erwartungen und Wünsche Eltern an die Politik haben, hat das aktuelle Familienbarometer erhoben. Viele Eltern fühlen sich durch derzeitige Krisen unter Druck: Eine große Mehrheit wünscht sich, dass der Sozialstaat Kinderarmut entgegenwirkt.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat gemeinsam mit Prof. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach, und Christian Böllhoff, Direktor der Prognos AG, das Familienbarometer vorgestellt. Das Familienbarometer erhebt zentrale Trends zum Familienleben in Deutschland und zeigt konkrete Optionen auf, um familienpolitische Leistungen weiterzuentwickeln. Für das Familienbarometer hat das Institut für Demoskopie Allensbach eine vom Bundesfamilienministerium beauftragte Studie zur Weichenstellung für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf durchgeführt.
Hohe Bedeutung der Familie für Lebenszufriedenheit
Die Coronapandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigten Folgen für die Gesamtwirtschaft und für die individuelle Einkommenssicherheit, so die Autor*innen des Familienbarometers. Aufgrund demografischer und klimapolitischer Herausforderungen träfen diese Krisen auf eine Gesellschaft, die sich ohnehin schon in einer grundlegenden Transformation befinde. Die hohe Inflation und die Erwartungen einer wirtschaftlichen Rezession erhöhten dabei die Unsicherheit. Gerade in einer solchen Zeit sei die Bedeutung der Familie für Stabilität und Lebenszufriedenheit enorm hoch.
Ausgewählte Ergebnisse
- Eltern stehen durch Krisen unter Druck: 93 % der Eltern minderjähriger Kinder macht die Inflation große Sorgen. Nur noch 43 % der Eltern bewerten die eigene wirtschaftliche Lage positiv. Gleichzeitig werden die staatlichen Entlastungsmaßnahmen von Familien überdurchschnittlich als hilfreich bewertet. Die Erwartung, dass der Sozialstaat materieller Ungleichheit entgegenwirkt und gute Startchancen für alle Kinder fördert, ist in der Bevölkerung insgesamt und speziell bei Eltern hoch. Das gilt insbesondere in Krisenzeiten. 70 % der Bevölkerung erwarten von der Familienpolitik, dass die Kinderarmut reduziert wird.
- Mehrheit der Eltern befürwortet Kindergrundsicherung: 60 % der Bevölkerung und 75 % der Eltern mit minderjährigen Kindern befürworten die Einführung der Kindergrundsicherung. Sozialer Ausgleich ist den Menschen wichtig, auch dann, wenn auf die Kosten der Kindergrundsicherung hingewiesen wird. Gute Kinderbetreuung ist für die meisten Familien eine zentrale Voraussetzung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Der Wunsch nach partnerschaftlicher Aufgabenteilung von Familien- und Erwerbsarbeit: Knapp die Hälfte (46 %) der Eltern wünscht sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbstätigkeit, aber nur ein erheblich kleinerer Teil kann dies umsetzen: So finden es etwa Mütter mehrheitlich (44 %) ideal, wenn sie die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Tatsächlich aber übernimmt die Mehrheit der Mütter (44 %) die meisten Aufgaben der Kinderbetreuung. Auch 20 % der Väter betrachten es als ideal, in längerer Teilzeit erwerbstätig zu sein; realisiert wird dieses Arbeitspensum jedoch nur von 4 % der Paarfamilien.
49 % der Gesamtbevölkerung und 56 % der Eltern mit Kindern unter sechs Jahren erwarten, dass Familienpolitik Eltern bei einer gleichmäßigen Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf unterstützt.
Fokus auf drei Handlungsfeldern
Abgeleitet aus den Ergebnissen beschreiben die Fachleute drei Handlungsfelder für eine krisenfeste und chancenorientierte Familienpolitik:
- Finanzielle Sicherheit für Familien erhöhen: Die Sorge um die finanzielle Sicherheit belastet Familien stark, besonders diejenigen, die sich in einer herausfordernden Lebenssituation befinden (z. B. Alleinerziehende, Familien mit niedrigem Erwerbseinkommen). Hier sei es Aufgabe des Sozialstaates, Sicherheit zu schaffen und etwa Leistungen besser zugänglich für alle zu machen. Mit dieser Zielsetzung habe die Einführung einer Kindergrundsicherung gegenwärtig die höchste Priorität bei der Weiterentwicklung des familienpolitischen Instrumentariums.
- Kinderbetreuung bedarfsgerecht weiterentwickeln: Darüber hinaus brauche es eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur. Hier seien Bund, Länder und Kommunen, aber auch Unternehmen gefordert, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen konsequent voranzutreiben. Von der Qualitätsentwicklung beim Betreuungsausbau profitierten alle Kinder, insbesondere aber jene aus bildungsbenachteiligten Familien, aus Familien in ökonomisch belasteten Lebenssituationen oder mit Migrationshintergrund. Die Fachleute weisen auf die Notwendigkeit bundesweiter Standards hin, z. B. für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, für sprachliche Bildung und für ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot. Dafür seien außerdem Fachkräfte unerlässlich. Ein weiterer bedeutsamer Schritt in der Familienpolitik sei der Ausbau der Ganztagsangebote im Grundschulbereich und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder ab 2026.
- Zeitautonomie in herausfordernden Familienphasen erhöhen: Viele Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbstätigkeit, aber nur ein erheblich kleinerer Teil könne dies leben. Als zeitpolitisches Instrument habe sich das Elterngeld etabliert. Weitere Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit einfacher möglich ist.
Lesenswertes zur News
Quellen
- Pressemeldung des Bundesfamilienministeriums vom 20.03.2023: Trends zum Familienleben analysieren und Familienpolitik weiterzuentwickeln
- Familienbarometer - Stand und Perspektiven einer krisensicheren und chancenorientierten Familienpolitik