Zu den 7. Bonner Ernährungstagen haben die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und das Bundeszentrum für Ernährung Fachleute aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, um die Zukunft der Ernährung zu diskutieren. Die zweitägige Veranstaltung fand am 30. und 31. August in Bonn statt.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gestaltete mit ihrer Arbeitstagung „Gemeinschaftsverpflegung im Aufbruch – Rückenwind für die Zukunft?“ den Auftakt der 7. Bonner Ernährungstage. Die DGE rückte die Gemeinschaftsverpflegung vor dem Hintergrund vielfältiger Herausforderungen in den Mittelpunkt ihrer Tagung. Klimakrise, Inflation und gestiegene Kosten, Fachkräftemangel sowie Chancen und Risiken der Digitalisierung haben erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Verpflegung von Menschen in Kitas, Schulen, Betrieben oder Senioreneinrichtungen. Umgekehrt beeinflusst die Gemeinschaftsverpflegung gesellschaftliche Entwicklungen lokal wie global. Sie ist ein starker Hebel für die Transformation von nachhaltigen Ernährungssystemen und Lebensstilen.
Aktuelles und Highlights
So komplex die Relevanz des Themas, so vielfältig war das Tagungsprogramm, das die Steuerungsgruppe der DGE-Fachgruppe Gemeinschaftsverpflegung konzipiert hat. Das NQZ war mit Dr. Kerstin Clausen an der wissenschaftlichen Leitung beteiligt. Über 200 Teilnehmende waren vor Ort dabei, weitere 300 verfolgten die Veranstaltung im Livestream. Den Auftakt machte Professor Dr. Gunther Hirschfelder, Kulturwissenschaftler an der Universität Regensburg, mit einer umfassenden kulturhistorischen Einordnung der Gemeinschaftsverpflegung.
Fachbeiträge und Diskussionsrunden zu ausgewählten Schwerpunkten zeigten Strategien zur Bewältigung aktueller Herausforderungen:
Qualität ist nicht verhandelbar – auch bei steigenden Kosten
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Professor Dr. Torsten Olderog, Professor für BWL, Schwerpunkt Marketing, an der AKAD University: Fast schon traditionell stehen die Kosten im Fokus der Küchenbetriebe, doch nach vielen Jahren der Stabilität haben zentrale Kostenpositionen durch die Inflation erheblich an Dynamik gewonnen. Prof. Dr. Olderog stellte Managementbereiche vor, die für ein Kostenmanagement zentral sind: Kostenanalyse, Kostenplanung und langfristige Perspektive, sowie Kostenkontrolle, Benchmarking & Risikomanagement. Pauschale Kürzungsansätze zu Lasten der Qualität können vermieden und Kostendynamiken fest in das Management integriert werden, so der Experte. Nicht zuletzt brauche es eine Offenheit gegenüber neuen Technologien und Automatisierungsprozessen, um z. B. Krisen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen.
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Professor Dr. Christoper Zeiss, Professor an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen: Der Vergaberechtsexperte zeigte verständlich auf, wie öffentliche Auftraggeber mit steigenden Kosten in bestehenden und zukünftigen Verträgen zur Lieferung von Verpflegungsleistungen umgehen können. Für Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Speisenanbietern empfahl der Experte, Mechanismen zur Preisanpassung zu vereinbaren. Als juristisch einfachste Lösung nannte er die Verabredung einer stufenweisen Preiserhöhung, als juristisch anspruchsvoller bewertete er die Preisgleitklausel. Hier müsse die Kopplung an konkrete Preisindizes (z. B. für Kartoffeln) unbedingt beachtet werden.
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In einer Podiumsdiskussion erörterte Diplom-Oecotropholgin Yvonne Wesp als Vertreterin des Kreises Groß-Gerau die Strategie zur Sicherstellung der Verpflegungsqualität der 40 Schulen in Trägerschaft in Zeiten der Kostendynamiken. So gewährt der Landkreis Subventionen, um die Mahlzeitenpreise bei den Eltern konstant zu halten und die Teilnahmequoten zu sichern. Der Kreis Groß-Gerau hat sich mit dem in 2018 gestarteten Projekt „Bio macht Schule“ per Kreistagsbeschluss zum Ziel gesetzt, 80 % Bio-Lebensmittel in den Schulen bis zum Jahr 2030 umzusetzen. Mit Stand September 2023 wird dieses Ziel bereits in acht Schulmensen realisiert.
Zukunft auf dem Teller – vegan und bio?
- Professor Dr. Bernhard Watzl, Präsident der DGE: Der Experte betonte die positiven Auswirkungen einer veganen Ernährung auf die menschliche Gesundheit und auf den Klimaschutz vor.
- Professorin Dr. Carola Strassner, Fachhochschule Münster: Professorin Strassner stellte die Motivation verschiedener Akteursgruppen für den Einsatz von Biolebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung vor. Sie erläuterte außerdem Hintergründe zur neuen Bio-Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung. Allgemeine Kennzeichnungsmöglichkeiten wie die Bio-Zutatenauslobung seien klarer geregelt als bisher, so Strassner. Außerdem kann der Bio-Anteil zukünftig in drei Kategorien (Gold, Silber, Bronze) ausgezeichnet und entsprechend ausgelobt werden.
- Abschließend zeigte der Publizist Hendrik Haase die technologische Transformation in der Gemeinschaftsgastronomie anhand zahlreicher Beispiele aus dem „Internet of Food“ auf.
BZfE-Forum: Ernährungsarmut in Deutschland – sehen, verstehen, begegnen
Das 7. BZfE-Forum stellte Ernährungsarmut in Deutschland als ein bedeutsames und noch sehr unterschätztes Problem heraus. In einem der reichsten Länder der Welt sind rund drei Millionen Menschen von Ernährungsarmut betroffen. Wissenschaftler*innen und Expert*innen gaben einen Überblick zu gesundheitlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen. Dabei sind armutsgefährdete Kinder besonders oft von Mangelernährung betroffen. Diskutiert wurden Möglichkeiten der kurz- und langfristigen Bekämpfung von Ernährungsarmut. Dazu gehörte unter anderem eine angemessene Berücksichtigung der Kosten für eine gesundheitsförderliche Ernährung in der Berechnung von Regelsätzen beim Bürgergeld sowie eine in Teilen oder vollständig kostenlose Kita- und Schulverpflegung.
Lesenswertes zur News
Quellen
- Pressemappe zu den Bonner Ernährungstagen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
- Pressemappe zu den Bonner Ernährungstagen des Bundeszentrums für Ernährung