Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat das Gesetzesvorhaben für mehr Kinderschutz in der Werbung vorgestellt. Dem Entwurf zufolge soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz oder Fett künftig nicht mehr erlaubt sein.
Lebensmittelwerbung beeinflusst das Ernährungsverhalten von Kindern unter 14 Jahren nachhaltig. Gerade im Kindesalter wird Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt. Der übermäßige Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz trägt zur Entstehung von Übergewicht und Adipositas und damit verbundenen Krankheiten bei. Medizinische Fachgesellschaften, Verbraucherorganisationen und Krankenkassen begrüßen das Vorhaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Sie plädieren dafür, die vorgeschlagenen Regelungen umzusetzen.
Wesentliche Inhalte des Gesetzesentwurfes
- Nach Art, Inhalt oder Gestaltung an Kinder adressierte Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll in allen für Kinder relevanten Medien (darunter auch Influencer-Marketing) und als Außenwerbung nicht mehr zulässig sein.
- Zudem soll Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt nicht mehr zulässig sein, wenn sie Kinder zwar nicht nach Art, Inhalt oder Gestaltung, jedoch aufgrund des Werbeumfeldes oder des sonstigen Kontextes adressiert: a) wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann, b) wenn sie im Kontext mit Inhalten betrieben wird, die auch Kinder ansprechen, c) wenn sie in Form von Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern betrieben wird zu Freizeiteinrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vor allem von Kindern besucht werden, oder zu Schulen, Kindertageseinrichtungen oder Spielplätzen.
- An Kinder gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll ebenfalls nicht mehr zulässig sein.
Orientierung an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation
Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren, das explizit für die Regulierung der Lebensmittelwerbung gegenüber Kindern geschaffen wurde. Das Modell der WHO ist europäisch eingeführt, berücksichtigt wissenschaftliche Erkenntnisse und trägt dem Gedanken Rechnung, dass Aspekte des Gesundheits-, Kinder- und Verbraucherschutzes vor wirtschaftlichen Interessen Vorrang haben sollen. Es teilt Lebensmittel in verschiedene Kategorien ein, für die jeweils Höchstwerte für den Gehalt an Gesamtfett, gesättigten Fettsäuren, Gesamtzucker, zugesetztem Zucker, Süßungsmitteln, Salz und/oder Energie pro 100 g Lebensmittel vorgesehen sind. Der Gesetzentwurf des Bundesernährungsministeriums sieht vor, dass an die Einhaltung dieser Höchstwerte Werberegulierungsmaßnahmen geknüpft werden können. Im internationalen Vergleich zeigen sich in Deutschland wenige gesetzliche Regulatorien. Das geplante Gesetzesvorhaben folgt dem Bespiel anderer Länder.
Milch und Säfte unter bestimmten Bedingungen vom Werbeverbot ausgenommen
Bei Milch (hinsichtlich des Fettgehalts) und Säften (ohne zusätzlichen Zucker oder Süßungsmittel) sieht der Gesetzentwurf Abweichungen vom WHO-Nährwertprofil vor, so dass die Beschränkungen insoweit nicht gelten, erklärt das BMEL in einer ergänzenden Mitteilung. Die genannten Getränke dürfen gegenüber Kindern beworben werden, wenn sie keinen zugesetzten Zucker und keine Süßungsmittel enthalten. Es gibt keinen Grenzwert für den Gesamtzucker-Gehalt. Milch ist ein Lebensmittel, das Nährstoffe wie z. B. Calcium und Jod beinhaltet, die für Kinder in der Wachstumsphase wichtig sind. Obst- und Gemüsesäfte können einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung leisten. Sie enthalten bereits von Natur aus Zucker. Wichtig sei deswegen, dass nicht noch zusätzlich Zucker oder Süßungsmittel hinzugefügt werden, so das BMEL. Dann sei eine Bewerbung gegenüber Kindern nicht möglich.
Hintergrund
Kinder, die Medien nutzen, sehen täglich im Schnitt 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Die Mediennutzung ist bei 70 % der 3- bis 17-Jährigen seit Beginn der Corona-Pandemie angestiegen. Durchschnittlich 92 % der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, ist für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Kinder essen etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Rund 15 % der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass sich die Situation seit der Corona-Pandemie weiter verschlechtert hat. Die gesamtgesellschaftlichen direkten und indirekten Kosten von Adipositas werden in Deutschland auf 63 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Lesenswertes zur News
Quellen
- Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Nr. 24 vom 27. Februar 2023
- Meldung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 3. März 2023 zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt (Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz – KWG)
- Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin vom 2. März 2023: Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung
- Presseinformation Stiftung Kindergesundheit vom 27. Februar 2023. Kinderschutz hat Priorität: Werbung für Dickmacher jetzt stoppen!
- Presseinformation Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten vom 16. Februar 2023
- von Philipsborn P, Geffert K, Klinger C, Hebestreit A, Stratil J, Rehfuess E, als Teil des Policy Evaluation Networks: Food Environment Policy Index (Food-EPI) Evidenzbericht für Deutschland. Policy Evaluation Network 2021