Auf einem Tisch liegen Malutensilien für Schulkinder.
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Qualität von Ganztagsschulen in Deutschland

Quelle: pixabay © adonyig

Ein Verbundprojekt zur Qualität im Ganztag hat in einem 15-jährigen Forschungsprozess zentrale Daten zur Lernkultur und Schulentwicklung erhoben. Das NQZ stellt ausgewählte Ergebnisse vor und weist auf die Bedeutung von Schulverpflegung als Teil des Ganztages hin.

Das Verbundprojekt StEG

Das Verbundprojekt „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG) hat zwischen 2005 und 2019 die Qualität schulischer Ganztagsangebote untersucht. Ziel der Studie war es, Rahmenbedingungen an Ganztagsschulen und ihre Wirkungen empirisch über einen längeren Zeitraum hinweg zu erfassen. Im Fokus der Erhebungen standen u.a. Fragen zur Gestaltung von Ganztagsangeboten in außerschulischen Kooperationen, die Auswirkung von Ganztag auf die kognitive, soziale und motivationale Entwicklung von Schüler*innen und der Einfluss auf ihre Schullaufbahn und den weiteren Bildungsweg.

Die Studie wurde unter Beteiligung aller 16 Bundesländer von einem Forschungskonsortium durchgeführt. Auf einer Online-Tagung des Leibniz-Institutes für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) am 01.12.2021 stellten die Projektverantwortlichen Ergebnisse vor und diskutierten deren Bedeutung für die Bildungspraxis, Bildungsverwaltung und Bildungspolitik.

Ausgewählte Ergebnisse

Das NQZ stellt im Folgenden ausgewählte Ergebnisse der repräsentativen Studie StEG vor, die die Wissenschaftler*innen in Online-Befragungen von Schulleitungen im Jahr 2018 erhoben haben und mit vorherigen Erhebungen (2012, 2015) in einen Trendverlauf setzen. Die Wissenschaftler*innen unterscheiden drei Schulgruppen mit Ganztagsbetrieb:

  • Schulen mit Primarstufe
  • Schulen mit Sekundarstufe I (ohne Gymnasien)
  • Gymnasien

Organisation und Strukturen

  • Das vorherrschende Organisationsmodell ist die freiwillige Teilnahme am Ganztagsbetrieb. Das gilt besonders für den Primarbereich.
  • Für die Mehrheit der Grundschulen umfasst der Ganztagsbetrieb fünf Wochentage. In der Sekundarstufe bietet die Mehrheit der Schulen einen viertägigen Ganztagsbetrieb an.
  • Unabhängig von der Schulform setzen die meisten Schulen auf die Steuerung des Ganztagsbetriebs (inklusive der Mittagsversorgung) durch Einzelpersonen wie z. B. die Schulleitung bzw. die Stellvertretung. Koordinationsgremien zur Wahrnehmung der Steuerungsaufgabe sind am ehesten in Primarschulen installiert, an weiterführenden Schulen sind diese (mit Ausnahmen) kaum implementiert.

Schulische Ressourcen: Stand und Entwicklungsbedarf

  • Rund die Hälfte bis zwei Drittel der Schulen, je nach Schulgruppe und Ressource, beurteilen die räumliche, materielle und personelle Ausstattung insgesamt als hinreichend.
  • Die meisten Schulen verfügen über eine Mensa oder einen Essensraum (Primar 88,4 %, Sekundarstufe I (ohne Gymnasien) 93 %, Gymnasien 92,4 %). Diese bewerten jedoch nicht alle Schulen als ausreichend. Nur 52 % Primarschulen, 66,1 % der Sekundarschulen Stufe I (ohne Gymnasien) und 71,2 % der Gymnasien bewerten Räume, Fläche und Ausstattung der Mensa/des Essensraumes als ausreichend.
     

Pädagogische Konzeption und Schulentwicklung

  • Weit mehr als die Hälfte der Primarschulen und knapp die Hälfte der weiterführenden Schulen verfolgen hinsichtlich der angestrebten Ziele im Ganztag einen reduzierten pädagogischen Anspruch. Die Studie zeigt Entwicklungsbedarf hinsichtlich der konzeptionellen Verbindung von Ganztagsangeboten und Unterricht. In den Grundschulen und den nicht-gymnasialen Sekundarstufenschulen gibt etwa die Hälfte der Schulleitungen an, dass Unterricht und außerunterrichtliche Angebote insgesamt wenig miteinander verbunden sind, an Gymnasien sind es sogar zwei Drittel.
  • Schüler*innen werden nur an der Hälfte der weiterführenden Schulen an Schulentwicklungsaktivitäten beteiligt, wesentlich seltener an den Primarschulen.

Angebot und Teilnahme

  • Für das Mittagessen fallen an den Primarschulen durchschnittlich zwischen 2,68 Euro und 3,15 Euro, an Schulen der Sekundarstufe I (ohne Gymnasien) zwischen 2,88 Euro und 3,44 Euro und an Gymnasien zwischen 3,16 Euro und 3,72 Euro für das Mittagessen an.
  • Die mittlere Teilnahmequote am Ganztag hat sich zwischen 2018 und den Vorjahren nicht wesentlich verändert. In Primarschulen sowie in Schulen mit Sekundarstufe I (ohne Gymnasien) nehmen mehr als die Hälfte aller Schüler*innen am Ganztag teil, während dieser Anteil an den Gymnasien deutlich unter 50 % liegt.

Fazit

Die Wissenschaftler*innen bezeichnen den weiteren quantitativen Ausbau des Ganztagsbereichs als den wohl wichtigsten grundlegenden Trend. Ganztagsschulen seien in den letzten Jahren von der Ausnahme fast zur Regel geworden: Rund zwei Drittel aller Schulen sind inzwischen ganztägig organisiert. Die Studie bestätige, dass Ganztagsschulen ihre basale sozial- und familienpolitische Funktion erfüllten, indem sie ein Angebot für die verlässliche Betreuung, vor allem bei jüngeren Kindern bereitstellten. Wer zusätzlich zur sozialpolitischen Grundversorgung für breite Teilhabe und Chancengleichheit sorgen möchte, sollte die Ausstattung mit räumlichen, materiellen und personellen Ressourcen sowie die finanzielle Belastung von Eltern überdenken, so die Autor*innen. Programmatisch werde dem Ganztag mit qualitativ hochwertiger Bildung und Erziehung für fachliche, fächerübergreifende und soziale Förderung bis ins Jugendalter jedoch auch eine pädagogische Funktion zugewiesen. Diese Funktion drohe in den Hintergrund zu treten, wenn nicht in pädagogische Schulentwicklung und multiprofessionelle Teams investiert werde.

Qualitätsdialog Ganztag – Praxisnahe Handreichungen

Aus einem weiteren Projekt stellten die Wissenschaftler*innen auf der Online-Tagung außerdem einen Orientierungsrahmen zur Gestaltung ganztägiger Bildungsangebote vor. In zwölf Dialogforen mit Akteuren aus Bildungsverwaltung, Bildungspraxis und Bildungsforschung entstanden sechs praxisnahe Handreichungen. Diese informieren u.a. darüber, wie Ganztag erfolgreich gesteuert werden kann und welche Ressourcen für gute Angebote notwendig sind.

NQZ: Schulmahlzeiten sind wichtiger Teil eines guten Ganztages

Diese Handreichungen sowie die StEG-Ergebnisse geben aus Sicht des NQZ wichtige Impulse, die sich auf die Gestaltung der Schulmahlzeiten übertragen lassen bzw. die Bedeutung von Schulmahlzeiten für einen qualitätsorientierten Ganztag unterstreichen. So ist beispielsweise das Mittagessen bei der Rhythmisierung des Schultages zu berücksichtigen, damit Kinder und Jugendliche ausreichend Zeit zum Essen haben und ein reibungsloser Mensaablauf ohne lange Wartezeiten gewährleistet werden kann. Damit Schulen den Ganztag erfolgreich steuern können, empfehlen die Wissenschaftler*innen u.a. eine Steuerungsgruppe, damit alle Anforderungen der beteiligten Ganztagsakteure berücksichtigt werden können. Es ist wünschenswert, dass ein*e Verpflegungsbeauftragte*r dieser Steuerungsgruppe angehört, damit eine gesundheitsförderliche und nachhaltigere Schulverpflegung sowohl organisatorischer als auch pädagogisch eingebetteter Bestandteil eines guten Ganztages wird.

Zusammenarbeit im Ganztag stärken

Das in den Handreichungen beschriebene multiprofessionelle und institutionenübergreifende Bildungsverständnis bezieht idealerweise auch den Lernort Mahlzeit mit seinen vielfältigen Bildungsgelegenheiten ein, die Kinder und Jugendliche dazu befähigen können, einen gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Lebensstil zu entwickeln. Weitere Elemente eines gelingenden Ganztages sind etwa die Förderung positiver sozialer Beziehungen, die Partizipation der Kinder und Jugendlichen oder die Möglichkeit des informellen Lernens – immer bieten diese Elemente Anknüpfungspunkte zur Schulverpflegung. So lässt sich beides erreichen: Mehr Qualität im Ganztag sowie mehr Qualität in der Schulverpflegung.

Das NQZ und die Vernetzungsstellen Schulverpflegung der Länder möchten verantwortliche Akteure motivieren, das Potenzial der Schulmahlzeiten in diesem Sinne zu nutzen. Schulen, Schul- bzw. Ganztagsträger können sich hierzu bei den Vernetzungsstellen Schulverpflegung der Länder beraten lassen. Auf Bundesebene steht das NQZ als zentraler Ansprechpartner für die Qualitätsentwicklung in der Schulverpflegung zur Verfügung.

Quelle und weiterführende Informationen