Fast ein Viertel der armutsgefährdeten Haushalte mit Kindern in Deutschland ist von Ernährungsunsicherheit betroffen. Ihr Zugang zu Lebensmitteln ist aufgrund von Geldmangel deutlich eingeschränkt. Das ist ein Ergebnis der MEGA_kids-Studie, die die Ernährungs- und Gesundheitssituation armutsgefährdeter Haushalte in den Blick genommen hat.
Knapp 15 % der Bevölkerung in Deutschland ist armutsgefährdet, das entspricht über 12 Millionen Menschen. Besonders häufig betroffen sind Alleinerziehende und kinderreiche Familien. Inwieweit dieses Armutsrisiko den Ernährungs- und Gesundheitsstatus der Familien beeinflusst, haben die Universität Hohenheim und die Charité Universitätsmedizin Berlin in einer Querschnittsstudie untersucht. Die Ergebnisse der MEGA_kids Studie sind nun im 15. DGE-Ernährungsbericht veröffentlicht.
Die Fachleute kombinierten eine quantitative Befragung von armutsgefährdeten Haushalten mit Kindern mit zwei vertiefenden qualitativen Befragungen Erwachsener. Befragt wurden fast 500 Familien. Etwa 45 % der teilnehmenden Eltern lebte zu Studienbeginn kürzer als ein Jahr in Deutschland. Damit sind die Studienergebnisse nicht uneingeschränkt auf die armutsgefährdete Bevölkerung in Deutschland übertragbar, so die Wissenschaftler*innen.
Ergebnisse zur Ernährungssituation
- Fast ein Viertel (22,4 %) der befragten Haushalte war von moderater oder starker Ernährungsunsicherheit betroffen. Aufgrund von Geldmangel kann mehr als die Hälfte der Haushalte (51,1 %) nur zwischen wenigen verschiedenen Lebensmitteln wählen. Mehr als jeder 10. Elternteil berichtete zudem von Hunger.
- Die Haushalte gaben über zwei Wochen von allen Lebensmittelgruppen am meisten Geld für nährstoffarme, energiedichte Lebensmittel, wie z. B. süße und fettreiche Snacks, sowie für Fleisch- und Wurstwaren aus.
- Sowohl Kinder und Jugendliche als auch die Erwachsenen verzehrten im Mittel mehr Fleisch und Wurst sowie mehr nährstoffarme und energiedichte Lebensmittel. Im Gegensatz dazu lag die mediane Verzehrmenge von Obst, Gemüse, Fisch und Getreideprodukten deutlich unter der empfohlenen Verzehrmenge.
Angebot und Inanspruchnahme von Kita- und Schulverpflegung
- 56,2 % der Kinder und Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung eine Kinderbetreuungseinrichtung oder Schule besuchten, haben die Möglichkeit einer warmen Mittagsmahlzeit. Fast 63 % nahmen dies mindestens dreimal/Woche in Anspruch. Dabei nahm die Inanspruchnahme signifikant mit dem Alter ab.
- Als Gründe für eine Nicht- bzw. seltene Inanspruchnahme wurde am häufigsten genannt, dass das Kind bzw. der/die Jugendliche zu Hause eine warme Mahlzeit erhalte (56,3 %). Am zweithäufigsten wurde angegeben, dass das Essen in der Bildungseinrichtung zu teuer sei (19,2 %).
- Mehr als jedes zweite erst kürzlich migrierte Kind bzw. dessen teilnehmender Elternteil (54,7 %) gab an, keine Möglichkeit einer warmen Mittagsmahlzeit in Kita oder Schule zu haben.
- Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung gaben deutlich weniger Eltern bzw. Jugendliche der Stichprobe an, die Möglichkeit einer warmen Mahlzeit in Schule oder Kita zu haben. Die Autor*innen vermuten, dass dies zumindest anteilig auf Barrieren bezüglich der Kostenübernahme durch das Bildungs- und Teilhabepaket zurückzuführen ist.
Gesundheitssituation
- Der subjektive Gesundheitszustand der Kinder bzw. Jugendlichen wurde von ihnen selbst bzw. von ihren Eltern als sehr gut oder gut eingeschätzt. Dagegen wurde bei 10,2 % der Kinder/Jugendlichen der Gesundheitszustand als mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht bewertet. Der Anteil dieser Kinder nahm bei beiden Geschlechtern, insbesondere aber bei den Mädchen, mit zunehmendem Alter zu.
- Insgesamt 20,5 % der Kinder und Jugendlichen waren von Übergewicht (10,0 %) oder Adipositas (10,5 %) betroffen. Dabei waren wesentlich mehr Kinder und Jugendliche von Adipositas betroffen, die zum Erhebungszeitpunkt mindestens ein Jahr in Deutschland lebten oder hier geboren worden waren (15,7 %), als erst kürzlich migrierte (< 1 Jahr in Deutschland lebende) Kinder und Jugendliche (3,4 %).
Hohe Lebensmittelpreise sind größte Herausforderung
Hohe Lebensmittelpreise beschreiben die Teilnehmenden als wesentliche Herausforderung für eine gesundheitsfördernde Ernährung. Demzufolge gehört der Einkauf vergünstigter Lebensmittel, der Verzicht in anderen Lebensbereichen sowie Abstriche bei Lebensmittelqualität und -menge zu den Strategien, die Ernährungssituation zu verbessern. Die Befragten wünschen sich vor allem verringerte Preise für gesündere Lebensmittel sowie weniger Sichtbarkeit von Süßwaren und Fast Food in Medien, Supermärkten und an Schulen.
Handlungsempfehlungen
Für die Autor*innen der Studie ist eine Kombination aus verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen sowie ein systematisches Monitoring wichtig, um mehr Ernährungssicherheit zu erreichen. Zwar könne aus den Ergebnissen nicht direkt abgeleitet werden, welche Folgen die Ernährungsunsicherheit für die spätere Entwicklung der Kinder und Jugendliche habe, doch deuteten internationale Studien auf langfristig erhöhte Risiken für negative physische und psychische Folgen hin.
Lesenswertes zur News
Quellen
- 15. DGE-Ernährungsbericht: Die Ernährungs- und Gesundheitssituation armutsgefährdeter Familien mit minderjährigen Kindern – Ergebnisse der Studie MEGA_kids
Presseinformation vom 20.11.2024 - Ernährungsbericht zum Download