Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nimmt Stellung zu drängenden Fragen aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen. Klimakrise, Corona-Pandemie, Adipositas-Pandemie bis hin zu globalem Hunger – Ernährung sei immer ein zentraler Aspekt, so die Fachleute. In ihrem Positionspapier skizzieren die Wissenschaftler*innen relevante Themenfelder.
In ihrem Forschungspapier zeigt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) drängende Ernährungsforschungsfragen und zukunftsrelevante Themenfelder auf. Ziel ist es, Agierende im Bereich der Forschungsförderung zu informieren und zu Ausschreibungen in den Themenfeldern zu motivieren. Es brauche dringender denn je Visionen, Ressourcen und konzertierte Maßnahmen. Die wesentlichen Themenfelder im Bereich der Ernährungsforschung aus Sicht der DGE sind:
- Weiterentwicklung und kontinuierliche Überprüfung von Ernährungsempfehlungen unter Berücksichtigung von Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit und auf Basis fairer Ernährungsumgebungen
- Neue Technologien und Methoden in der Ernährungswissenschaft
Daten im Kontext der Ernährung, die mithilfe neuer Methoden systematisch erfasst und ausgewertet werden, liefern aus Sicht der Fachleute Wissen zu verschiedensten ernährungswissenschaftlichen Fragestellungen. Innovative technische Verfahren wie Methoden der Data Science und der künstlichen Intelligenz müssten dafür angepasst bzw. umgesetzt werden. - Lebensmittelinhaltsstoffe und Lebensmittelverarbeitung
Besonders im Hinblick auf eine nachhaltigere Ernährung halten die Wissenschaftler*innen weitere Kenntnisse zur Zusammensetzung traditioneller und insbesondere neuer und neuartiger Lebensmittel für notwendig. - Neue Ansätze der Ernährungsverhaltensforschung
Damit sich die Ernährung langfristig verbessere, sei die Modifikation des Ernährungsverhaltens zentral. Neue Methoden zur Beschreibung des Verhaltens müssten daher weiterentwickelt und validiert werden. Außerdem müssten Kommunikationsstrategien neu gedacht werden, um passgenaue und effektive Verhaltensänderungen bewirken zu können. - Gesundheitsfördernde und faire Ernährungsumgebungen
Gesundheitsförderliche und faire Ernährungsumgebungen seien in Deutschland lange unterschätzt worden. Maßnahmen auf kommunaler Ebene in spezifischen Settings wie z. B. Schule, Betriebe, Krankenhäuser zur Schaffung nachhaltiger Ernährungsumgebungen würden noch am Anfang stehen. Konzepte hierzu müssen wissenschaftlich entwickelt und evaluiert werden. - Monitoring und Surveillance im Ernährungsbereich
Voraussetzung für eine fundierte Planung ernährungspolitischer Maßnahmen sind nach Auffassung der DGE bevölkerungsbasierte Informationen zur Ernährungssituation aller Bevölkerungsgruppen. Monitoring- und Surveillance-Studien im Ernährungsbereich fehlten aber gegenwärtig bundesweit oder seien nur rudimentär vorhanden. Diese müssten entwickelt und umgesetzt werden. - Physiologische Aspekte der Ernährung
Um die Kausalität von Ernährung auf die Salutogenese und Pathogenese zu verstehen, seien Kenntnisse über physiologische Wirkungen und Mechanismen von Lebensmitteln und Nahrungsinhaltsstoffen auf molekularer, zellulärer und klinisch-funktioneller Ebene zwingend erforderlich, so die DGE. Aktuell fehlten aber Daten etwa zu Absorptionsraten, Kinetik und Metabolisierung vieler Nähr- und Lebensmittelinhaltsstoffe. Die Grundlagenforschung müsse daher ausgebaut werden.
Impulse für die Ernährungsstrategie der Bundesregierung
Diese wissenschaftlichen Positionen und Forderungen der DGE unterstreichen die Notwendigkeit einer bundesweiten Ernährungsstrategie. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet bis zum Sommer dieses Jahres die Ernährungsstrategie der Bundesregierung in einem offenen Beteiligungsprozess. Kernziele der Ernährungsstrategie sind die Förderung einer gesünderen, ressourcenschonenden und pflanzenbetonten Ernährung und von mehr Bewegung. Ein besonderes Augenmerk wird die Ernährungsstrategie auch auf das Ernährungsumfeld, individuelle Gewohnheiten sowie verfügbare Zeit- und Geldressourcen von Menschen legen, so dass Rahmenbedingungen für ein gesünderes und nachhaltigeres Ernährungsverhalten geschaffen werden können. Dabei will das Bundesernährungsministerium besondere Verbrauchergruppen wie Kinder, Einkommensschwache sowie Menschen mit Einwanderungsgeschichte besser in den Fokus nehmen. Der Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen kommt dabei eine besondere Relevanz zu.
Lesenswertes zur News
Quelle
Linseisen J, Renner B, Buyken A, Watzl B, Ellrott T, Grune T, Hauner H, Heseker H, Kulling SE, Nöthlings U, Stangl G, Conrad J, Tauer J, Virmani K for the German Nutrition Society: Perspectives for nutrition research 2022. Position of the German Nutrition Society (DGE). Ernahrungs Umschau 2022; 69(12): 184–9. Open access: The English version of this article is available online: DOI: 10.4455/eu.2022.037