Eine ausgewogene Schulverpflegung ist als Ausgangspunkt für eine dauerhaft tragfähige Verbesserung der Ernährungssituation der gesamten Bevölkerung erfolgversprechend. In vielen Ländern weltweit spielt Schulverpflegung daher eine wichtige politische Rolle. Die Bedeutung von Schulverpflegung nimmt international vor allem im Kontext von Nachhaltigkeit zu.
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Zahlen und Strukturen zur Schulverpflegung international
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme – WFP) ist eine von den Vereinten Nationen und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation Food and Agriculture Organisation of the United Nations (FAO) gemeinsam getragene humanitäre Einrichtung, die vor allem gegen den globalen Hunger kämpft. Das WFP führt Schulspeisungsprogramme (School Feeding Programmes) vorrangig in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen durch und leistet komplementäre Unterstützung nationaler Schulspeisung in politisch stabilen Ländern, die eigene Schulverpflegungsprogramme unterhalten. Die vom WFP initiierte Strategie zur Schulverpflegung für die Dekade 2020 bis 2030 zielt auf die Schaffung gesundheitsförderlicher Ernährungsumgebungen in Schulen bzw. für jedes Schulkind ab. Zahlen des WFP vor Beginn der Covid-19 Pandemie zeigen, dass eines von zwei Schulkindern jeden Tag eine Schulmahlzeit erhielt (entspricht etwa 388 Millionen Kindern in 161 Ländern) (12). Weltweit wurden im Jahr 2020 in Folge der pandemiebedingten Schulschließungen schätzungsweise 39 Milliarden Mahlzeiten verpasst (14). Für viele der Kinder sind diese Schulmahlzeiten ein Hauptbestandteil ihrer täglichen Ernährung. Durch die Pandemie wird aus Sicht des WFP in besonderer Weise die Bedeutung von Schulverpflegungsprogrammen als soziales Sicherungsnetz deutlich (12).
Versorgungsgrad: Erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern
Weltweit stieg zwischen 2013 und 2020 die Zahl der Kinder, die Schulmahlzeiten erhielten, um 9 Prozent. Ein besonders hoher Zuwachs erfolgte in Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen (12). Die Abbildungen zeigen die Reichweite von Schulverpflegungsprogrammen weltweit in Abhängigkeit der geographischen Lage der Länder und des Einkommensniveaus.
Als Reichweite definiert das WFP die Anzahl von Schulkindern, die von einem Schulverpflegungsprogramm profitieren. Es wird ersichtlich, dass in der Versorgung von Schulkindern mit Schulmahlzeiten zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede bestehen.
Schulverpflegungsprogramme (School Feeding Programmes)
Schulverpflegungsprogramme tragen vor allem in Ländern mit eher niedrigem Einkommen dazu bei, mit täglichen Schulmahlzeiten Ernährungsunsicherheit zu verhindern (3, 4). Häufig sind Programme vom WFP initiiert und finanziert (3), wobei viele Länder diese extern angestoßenen Schulverpflegungsprogramme bereits in nationale Förderungen umgewandelt haben. Andere Länder sind bestrebt, staatliche Programme aufzubauen, wobei das WFP unterstützt (12). Es ist das Ziel des WFP, eine integrierte und nachhaltige Durchführungsstrategie umzusetzen, indem u.a. die Verbindung zur lokalen Produktion von nährstoffreichen Lebensmitteln für die Integration in die Schulverpflegung hergestellt wird. Auch die Kapazitäten der Regierungen sollen gestärkt und das Schulpersonal und -umfeld als Multiplikator*innen für ein adäquates Ernährungsverhalten geschult und eingesetzt werden. Mit der Schulverpflegungsstrategie 2020-2030 legt das WFP seine Vision dar, mit Regierungen und Partnern zusammenzuarbeiten, um gemeinsam sicherzustellen, dass alle Grundschulkinder Zugang zu qualitativ hochwertigen Mahlzeiten in der Schule haben. Dies soll begleitet werden von einem umfassenderen integrierten Paket von Gesundheits- und Ernährungsdienstleistungen (7).
Impfprogramme oder Gesundheitsscreenings sind wichtige begleitende Hilfsmaßnahmen von Schulverpflegungsprogrammen (7). Weltweit sind in vier von fünf Ländern Schulverpflegungsprogramme auf nationaler Ebene etabliert (12). Regierungen haben ein großes Interesse daran, die Bereitstellung von Schulmahlzeiten mit anderen Hilfsmaßnahmen zu ergänzen, um langfristige Wirkungen zu erzielen. Weniger als sieben Prozent der Länder haben ausschließlich auf die Verpflegung konzentrierte Programme etabliert, alle anderen Ländern kombinieren die Verpflegung mit weiteren Gesundheits- und Ernährungsinterventionen (12). Auf dem afrikanischen Kontinent soll die Stärkung der nationalen Schulverpflegungsprogramme auch zu einem verbesserten Zugang zu Bildung und zu höherer Leistungsfähigkeit beitragen (21). Verschiedene Studien belegen, dass Schulgesundheits- und Ernährungsprogramme zu verbesserten Bildungsergebnissen führen (22).
Bei der Schulverpflegung in Ländern mit höheren Einkommen rückt die Qualität der Schulmahlzeiten in den Fokus (4, 8). Vor allem werden mit der Schulverpflegung Gesundheitsförderungs-, Ernährungsbildungs- und Nachhaltigkeitsaspekte verbunden. Gleichwohl gilt eine qualitativ hochwertige und beitragsfreie Schulverpflegung als zentraler Ansatz für die Gestaltung einer fairen und nachhaltigen Ernährungsumgebung (4).
Eine Erhebung der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation – WHO) zwischen 2016-2017 zur Erfassung der Länder mit nationalen Ernährungsstandards oder Richtlinien zeigt, dass 142 von 160 WHO-Mitgliedsstaaten (89 %) Schulgesundheits- und Ernährungsprogramme umsetzen (20). In den WHO-Regionen Amerika, Europa und Westlicher Pazifik konzentrieren sich diese Programme eher auf die Prävention von Übergewicht und Adipositas. In den WHO-Regionen Afrika und Südostasien steht dagegen die Prävention von Unterernährung im Zentrum der Bemühungen.
Nationale Ernährungsrichtlinien und Schulverpflegungsstandards
Insgesamt 119 Länder der sechs WHO Regionen haben nationale Ernährungsrichtlinien (20). Ernährungsstandards sind wichtige Instrumente für die Sicherstellung der Ernährungsqualität und unterscheiden sich in lebensmittelbasierte (food-based) Standards und nährstoffbasierte (nutrient-based) Standards. Dabei sind lebensmittelbasierte Standards weiterverbreitet, als nährstoffbasierte Standards, mit der Ausnahme von Afrika. Altersbezogene Ernährungsstandards für Schulkinder begünstigen dessen Umsetzung und Ernährungskommunikation. In 49 % der Länder, in denen Schulverpflegungsprogramme angeboten werden, sind Ernährungsfachkräfte für die Zusammensetzung der Schulmahlzeiten verantwortlich.
In der europäischen Union liegen in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten plus Vereinigtes Königreich (UK), Norwegen und Schweiz Richtlinien für die Schulverpflegung vor. In der Hälfte der Mitgliedsstaaten sind diese verbindlich umzusetzen. Auch in den europäischen Ländern sind lebensmittelbasierte Standards am weitesten verbreitet (1).
Subventionierung von Schulverpflegungsprogrammen
Schulmahlzeiten sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in der Regel beitragsfrei, indem sie von Entwicklungsorganisationen, wie dem WFP oder vom öffentlichen Sektor, finanziert bzw. subventioniert werden (4, 8, 12). Bei Ländern mit mittlerem Einkommen sind es vor allem die ehemaligen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS-Staaten), die Schulmahlzeiten überwiegend subventionieren. Diese Länder machen weltweit fast die Hälfte aller kostenlosen Schulmahlzeiten aus (12). In der Regel ist in einkommensstärkeren Ländern die Schulverpflegung nicht beitragsfrei. In europäischen Ländern reicht das Angebot vom kostenlosen Schulessen für alle über eine staatliche Unterstützung bis hin zur vollen Finanzierung durch die Eltern. Häufig gibt es einkommensabhängige Unterstützungsprogramme (z.B. in Deutschland das Bildungs- und Teilhabepaket). In Europa ist die Schulverpflegung in Finnland und Schweden beitragsfrei (4).
Länderbeispiele weltweit
Weil der ökonomische Status eines Landes Einfluss auf Struktur und Qualität von Schulverpflegungsprogrammen hat, werden nachfolgend ausgewählte Länderbeispiele gegliedert nach Einkommensniveau vorgestellt. Entsprechend der Klassifizierung der Weltbank werden Länder in vier Einkommenskategorien eingeteilt:
- (1) geringes Einkommen (Low Income)
- (2) mittleres Einkommen, unterer Teil (Lower Middle Income)
- (3) mittleres Einkommen, oberer Teil (Upper Middle Income)
- (4) hohes Einkommen (High Income).
Beispiele von Ländern mit hohem Einkommen
- Richtlinien der Europäischen Union im Überblick
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Die europäischen Mitgliedsstaaten sind sich über die wichtigsten Ziele einer bedarfsgerechten Schulverpflegung weitestgehend einig. Alle Länder haben Schulverpflegungsrichtlinien (School food policies) erlassen, mit denen sie die hohe Bedeutung der Schulverpflegung für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen anerkennen.
Ein Überblick zu Inhalten und Strukturen der Standards ist hier zusammengefasst. - Verpflichtende Standards in Finnland
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Mehr als 70 Jahre alt ist die Tradition in Finnland, eine kostenlose Schulverpflegung zur Verfügung zu stellen. In dem Fünf-Millionen-Einwohnerland erhalten heute etwa 830.000 Schüler*innen täglich eine Schulmahlzeit.
Mehr zur Schulverpflegung in Finnland hier. - Kostenloses Schulessen in Schweden
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Schweden blickt auf eine lange Schulverpflegungstradition zurück. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es erste nationale Bemühungen um kostenlose Schulmahlzeiten. Seit den 70er Jahren können alle Schulkinder zwischen 7 und 16 Jahren kostenfrei an der Schulverpflegung teilnehmen.
Ein Überblick zur Schulverpflegung in Schweden hier. - Viel Esskultur in Frankreichs Schulen
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Drei-Gänge-Menüs und lange Pausenzeiten: Französische Schüler*innen sollen ihre Schulmahlzeiten genießen können. Das ist sogar in den Standards ausdrücklich erwähnt.
Hier ein Überblick, wie Frankreich die Schulverpflegung gestaltet. - Schulverpflegung in Großbritannien
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In Großbritannien gelten seit 2007 verpflichtende Qualitätsstandards für die Schulverpflegung. Die Zahlen übergewichtiger und adipöser Kinder hatte seinerzeit eine landesweite Diskussion zur Qualität der Schulverpflegung ausgelöst.
Mehr dazu hier.
Beispiele von Ländern mit mittlerem Einkommen (oberer Teil)
- Brasilien
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In Brasilien erhalten 40 Millionen Kinder Schulmahlzeiten über das staatliche Schulverpflegungsprogramm (Programa Nacional de Alimentação Escolar, PNAE). Das PNAE ist nach Indien das zweitgrößte Schulverpflegungsprogramm weltweit. Mit einem Jahresbudget von umgerechnet 764 Millionen US-Dollar erreicht das PNAE mehr als 160.000 Schulen in 5.570 brasilianischen Kommunen. Für die Schulkinder sind die Mahlzeiten beitragsfrei. (12)
Die Speisenplanung wird durch Ernährungsfachkräfte durchgeführt. Die Mahlzeiten sollen mindestens 20 % des täglichen Energie- und Nährstoffbedarfes der Kinder decken, basierend auf verpflichtend anzuwendenden Schulverpflegungsstandards. Ausdrücklich bezieht das Programm die Förderung eines gesunden Ernährungsverhaltens der Kinder einschließlich ihrer Familien ein. Dies wird u.a. durch eine Verankerung von Ernährungsbildung in den schulischen Curricula sichergestellt. Zuständig für die Durchführung des PNAE ist der Nationale Fonds für Bildungsentwicklung (Fundo Nacional de Desenvolvimento da Educação, FNDE), eine unabhängige Institution im Bildungsministerium. Die Organisation der Verpflegung inkl. Verwaltung ist dezentral in den Bundesstaaten bzw. in den Kommunen geregelt. Der Erlass eines Schulverpflegungsgesetzes 2009 (School Feeding Law No. 11.947 of 2009) schuf einen rechtlichen Rahmen für das Schulverpflegungsprogramm, das die Ernährungspolitik der staatlichen Schulen institutionalisiert und Richtlinien festgelegt hat (23). Für die Lebensmittelbeschaffung gilt, dass mindestens 30 % der vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel für den Wareneinkauf bei Kleinbauern verwendet werden müssen. (12)
Ein Monitoring muss verpflichtend umgesetzt werden, um die Effektivität des PNAE nachzuweisen und zu garantieren. Für das Monitoring, das auf Ebene der Bundesstaaten bzw. Kommunen durchgeführt wird, sind feste Qualitätskriterien vorgegeben. Durchgeführt wird es mithilfe zweier digitaler Monitoring-Systeme, für die Erfassung der Daten sind eine Art lokale Verpflegungsausschüsse zuständig (School Feeding Councils, CAEs), die sich aus Vertreter*innen der Schulgemeinde, Ernährungsfachkräften und technischem Personal des FNDE zusammensetzen. Ergänzt wird das digitale Monitoring-System durch eine App, die den CAEs eine einfache Erfassung von Daten ermöglicht. Auch interessierte Bürger*innen können sich jederzeit über diese App über die Verpflegungsqualität einer bestimmten Schule ihrer Wahl informieren. (12) - Libanon
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Der Libanon gehört nach der Klassifizierung der Weltbank zu den Ländern mit mittlerem Einkommen im oberen Bereich, ist aber massiv von Krisen getroffen. Der Libanon ist eines der am stärksten betroffenen Länder des Krieges in Syrien (24). Die Zahl der syrischen Flüchtlinge wird auf mehr als 1,5 Millionen geschätzt. Politische Instabilität, soziale Spannungen sowie die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im August 2020 und die Covid-19-Pandemie verschärfen die Krisensituation. Die Wirtschaftskraft im Libanon sinkt, gleichzeitig wächst der Anteil vulnerabler Bevölkerungsgruppen durch Armut, was insgesamt die sozial-gesellschaftliche Krise im Land verstärkt. Von dieser sind hauptsächlich Kinder betroffen, sowohl libanesische als auch syrische Kinder. Im Kontext dieser Notsituation hat das WFP eine Evaluation des dortigen Schulverpflegungsprogramms beauftragt, um Erkenntnisse über Schulverpflegung unter fragilen Lebensbedingungen zu erhalten. (12)
Die Evaluation zeigt, dass das libanesische Schulverpflegungsprogramm trotz der Krisensituation die Lebensmittelvielfalt im Angebot verbessern konnte. Dies wurde vor dem Hintergrund der unterschiedlichen kulturell bedingten Bedürfnisse libanesischer und syrischer Kinder notwendig. Außerdem konnte die Schulverpflegung kurzfristige kriseninduzierte Hungerperioden der Schulkinder beider Nationen überbrücken. Ernährungsunsicherheit konnte insgesamt verringert werden, wobei die Wirkung des Programmes für syrische Kinder höher war als für libanesische Kinder. Struktur und Gestaltung des Schulverpflegungsprogramms waren geeignet und angemessen, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder zu reagieren. (12)
Beispiele von Ländern mit mittlerem Einkommen (unterer Teil)
- Kenia
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Das kenianische Bildungsministerium hat 1980 mit Unterstützung des WFP ein Schulverpflegungsprogramm ins Leben gerufen, das seinerzeit vor allem Kinder gezielt in Gebieten unterstützte, die am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffen waren. Im Jahr 2009 wandelte die Regierung das Programm in das erste landesgeführte „home-grown school feeding“ (HGSF) Programm um. Das HGSF ist ein vom WFP geprägter umfassender Ansatz, der die lokale Lebensmittelproduktion in die Versorgung mit Schulmahlzeiten einbezieht und dadurch kleinbäuerliche Strukturen stützt und fördert. Im Jahr 2018 war die Überführung des Programms abgeschlossen. (12, 13)
Das Programm wird von den Familien der Schulkinder finanziell sowie durch Sachleistungen unterstützt. Lokale Landwirte liefern Lebensmittel zu. (15) Im Jahr 2020 erreicht das kenianische Schulverpflegungsprogramm mehr als 1,6 Millionen Kinder in ariden und semi-ariden Regionen des Landes (ca. 12 % der Kinder im schulpflichtigen Alter). Dies entspricht etwa einer Vervierfachung versorgter Kinder gegenüber dem vom WFP implementierten Schulverpflegungsprogramm. Verantwortlich dafür ist die Nationale Strategie für Schulmahlzeiten und Ernährung 2017-2022 (National School Meals and Nutrition Strategy 2017 bis 2022). Aus Sicht des WFP zeigt Kenia eindrücklich, wie ein vormals spendenbasiertes Programm schließlich auf nationaler Ebene erfolgreich institutionalisiert und auch finanziell unabhängig werden konnte. (12) Insgesamt wird deutlich, dass in Kenia eine starke Verknüpfung mit der lokalen Landwirtschaft und Gemeinschaft erfolgt, indem insbesondere Frauen für die Zubereitung der Schulmahlzeiten eingebunden werden. Dennoch bestehen Herausforderungen, z.B. durch mangelnde Verfügbarkeit lokaler Lebensmittel aufgrund hoher Aridität (15). - Bangladesh
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Auch Bangladesch überführt das vom WFP im Jahr 2001 gestartete Schulverpflegungsprogramm in die eigene Verantwortung des Landes (Stand 2020). (12) Die im Jahr 2019 gestartete Richtlinie zur Förderung der Schulverpflegung „National School Meal Policy (NSMP)“ hat zum Ziel, bis 2024 alle Grundschulkinder mit lokal bzw. regional hergestellten Schulmahlzeiten zu versorgen, wobei das WFP unterstützt. Es wird damit gerechnet, dass schon in der Übergangsphase die Anzahl der am Programm teilnehmenden Kinder wächst. In Bangladesch besuchen etwa 18 Millionen Kinder die Grundschule (Stand 2018). (16)
Das zur Verfügung gestellte Schulessen soll sich qualitativ verbessern (Wechsel von angereicherten Keksen hin zu ausgewogenen warmen Mahlzeiten). Derzeit unterstützt das Land das NSMP mit 75 Millionen US-Dollar pro Jahr. Nach vollständiger Überführung wird mit jährlichen Kosten bis zu 910 Millionen US-Dollar gerechnet. (12)
Beispiele von Ländern mit niedrigem Einkommen
- Afghanistan
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In Afghanistan gibt es zwar kein staatliches Schulverpflegungsprogramm, jedoch wird mit der nationalen Ernährungsstrategie (National Public Nutrition Policy and Strategy 2015-2020) die Bereitstellung von Schulmahlzeiten als ein Interventionsfeld in den Blick genommen und eine stärkere sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Bildungsministerium angestrebt. In dem Land sind aufgrund des jahrzehntelangen Krieges, sozialen Unruhen und wiederkehrenden Naturkatastrophen Armut und Ernährungsunsicherheit weit verbreitet. Schulbasierte Interventionen konzentrieren sich besonders auf Mädchen und Frauen, um ihnen Anreize für den Schulbesuch zu geben.
Andere Interventionen beziehen etwa Kinder ein, die in entlegenen Gebieten leben und während harter Wintermonate witterungsbedingt nicht zur Schule gehen können. Das WFP hat den Schwerpunkt seiner Aktivitäten in den letzten Jahren von der Nothilfe auf die Wiederherstellung der Lebensgrundlagen verlagert. In Schulen stellt das WFP Mahlzeiten zur Verfügung und berät die nationale Regierung. In Afghanistan werden etwa 1,34 Millionen Kinder mit Schulmahlzeiten versorgt (2020). (12, 13) - Benin
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In Benin liegt der Versorgungsgrad von Grundschulkindern mit Schulmahlzeiten bei etwa 20 % (12). Die schulische Infrastruktur des westafrikanischen Staates ist vergleichsweise schlecht: nur wenige Schulen verfügen über Strom, fließendes Wasser, Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen. Ebenfalls haben nur wenige Schulen Cafeterien oder ausgestattete Küchen. (17) Das WFP unterstützt das von Ernährungsunsicherheit stark betroffene Land seit 1975 bei Schulspeisungsprogrammen. Im Schuljahr 2019/2020 konnten täglich Schulmahlzeiten für etwa 630.000 Kinder zur Verfügung gestellt werden. (18)
Seit 2014 konnten einige Meilensteine zur Verbesserung der Schulernährung umgesetzt werden, wie z. B. die Überführung des WFP-initiierten Programms zur Schulernährung in die eigene Verantwortung des Landes ab 2010, Einführung der nationalen Schulernährungspolitik 2014 (Politique Nationale de L’Alimentation Scolaire, PNAS) oder die Teilnahme an mehreren internationalen Runden Tischen (u.a. Global Child Nutrition Forum) zum Austausch von Erfahrungen zur strukturellen Stärkung des Programms (17). Die Ziele des Schulverpflegungsprogramms konzentrieren sich auf die Reduzierung von Armut und Hunger, auf die Erhöhung der Schulbesuchsquote insgesamt aber vor allem auch von Mädchen sowie die Verknüpfung der Schulverpflegung mit weiteren Gesundheitsinterventionen (z. B. zur Hygiene). (18)
Schulverpflegung und Kindergesundheit
Ernährungssicherheit, Teilhabe an Bildung, Gendergerechtigkeit
Das WFP hält fest, dass in den letzten zehn Jahren weltweit Konsens darüber entstanden ist, dass Schulverpflegungsprogramme die Zukunft eines Landes nachhaltig beeinflussen (6). Gerade in Entwicklungsländern ist die Möglichkeit, eine oder mehrere Mahlzeiten am Tag in der Schule zu essen, ein wichtiger Grund für den Schulbesuch von Kindern, insbesondere für Mädchen, und damit Bildung und Teilhabe zu erfahren. Somit tragen Schulmahlzeiten auch zur Gendergerechtigkeit bei, denn vielfach bleibt gerade Mädchen Bildung verwehrt. Studien zeigen, dass sich Unterversorgung bei Kindern in Ländern mit niedrigem Einkommen durch Schulverpflegungsprogramme signifikant verbessert und damit insgesamt positiv auf ihren Gesundheitsstatus wirkt (6). Der gleiche Effekt zeigte sich in Ländern, die zwar heute einkommensstark sind, aber in vergangenen wirtschaftlich schwachen Zeiten Schulverpflegung mit dem Ziel förderten, Ernährungsunsicherheit zu vermeiden. (8)
Prävention von Übergewicht, Ernährungsbildung
In Ländern mit höherem Einkommen hat sich der Fokus in den letzten Jahren eher hin zur Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern verändert. Initiativen zur Verbesserung der Schulmahlzeiten zielen außerdem vermehrt darauf ab, Kindern ein gesundes Essverhalten zu vermitteln (8). Generell finden in vielen Ländern daher Schulverpflegungsstandards Einzug in politische Debatten. Während Länder wie Finnland oder Frankreich bereits seit den 1970er Jahren Qualitätsstandards für die Schulverpflegung umsetzen, engagiert sich etwa Großbritannien seit 2000 oder die USA seit 2010 für entsprechende Vorgaben in der Schulverpflegung (8). In Deutschland gelten Qualitätsstandards für die Verpflegung in Schulen auf freiwilliger Basis seit 2007, in einigen Bundesländer sind sie zudem verpflichtend.
Monitoring und Evaluation
Dennoch fehlen in vielen Ländern mit höherem Einkommen Evaluationen bzw. Studien, die den Einfluss der Schulverpflegung auf die Kindergesundheit zeigen (8). Zwar bestehen Evidenzen, dass eine ausgewogene Schulverpflegung einen positiven Einfluss auf die Energieversorgung sowie auf den bedarfsgerechten Verzehr wichtiger Mikro- und Makronährstoffe bei Kindern hat, doch fehlen z. B. Langzeitstudien, die direkte Zusammenhänge zwischen einer optimierten Schulverpflegung und einer Verbesserung bestimmter Gesundheitsindikatoren bei Kindern belegen. (8)
Nachhaltige Schulverpflegung
Weltweit orientieren sich viele nationale Schulverpflegungsprogramme an den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen (9). Die 17 SDGs formulieren Absichten und Maßnahmen u.a. zur Verringerung von Armut und Hunger, für Bildungs- und Geschlechtergerechtigkeit oder für Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz (10).
Initiativen in Ländern mit höherem Einkommen
Initiativen aus Portugal, Spanien, England und den USA zeigen, dass die Gründung kommunaler Küchen mit festen Partnerschaften zwischen landwirtschaftlichen Produzierenden und Schulküchen die regionale Wertschöpfungskette stärkt, ökologischen Anbau, artgerechte Tierhaltung sowie soziale Standards (z. B. gerechte Preisbildung, langfristige Arbeitsverhältnisse) ermöglichen und fördern (9). Lokale Schulverpflegungsinitiativen machen Kindern außerdem in vielerlei Hinsicht die Herkunft von Lebensmitteln transparent (z. B. Schulgärten oder Farm-to-school-Programme) und sind daher ernährungsbildend.
Initiativen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen
In Ländern mit niedrigem Einkommen zeigt sich, dass Schulverpflegungsprogramme durch lokalen Anbau von Lebensmitteln weitreichende positive Auswirkungen auf die Region und auf die soziale Teilhabe haben (6). Insbesondere Frauen profitieren von entsprechenden Beschäftigungsverhältnissen in der Landwirtschaft oder in Schulküchen. Die UNESCO bezeichnet nationale Schulverpflegungsprogramme als die wirksamste Intervention, um im Sinne der SDGs Geschlechterungleichheit zu verhindern und gendergerechte Bildungsgleichheit herzustellen (12, 19). Gerade in Ländern mit niedrigem Einkommen hat SDG 2 „Kein Hunger“ Priorität bei der Entwicklung von Ernährungsinterventionen (12).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Art und Weise von Lebensmittelproduktion und -konsum haben einen großen Einfluss auf den Klima- und Ressourcenschutz. Etwa die Zusammenhänge der globalen Tierhaltung, Fleischproduktion und Fischerei sind komplex und erfordern ein umfassendes Verständnis, damit transparent wird, welche globalen Auswirkungen lokales Ernährungshandeln hat. Schulen können im Sinn einer Bildung für nachhaltige Entwicklung Kinder und Jugendliche zu nachhaltigem und damit zukunftsfähigem Denken und Handeln motivieren und befähigen. Schulverpflegung rückt den Bildungswert auch von nachhaltigeren Mahlzeiten in den Vordergrund; sie vermittelt Werte und Normen für einen verantwortungs- und gesundheitsbewussten Konsum und trägt dazu bei, dass Kinder in die Esskultur ihres Landes hineinwachsen (8).
Nachhaltige Beschaffung
Auch spielt die nachhaltige Beschaffung von Schulverpflegung eine wichtige Rolle. Welche Auswirkungen die Produktion von Schulverpflegung etwa für den Wasserverbrauch, Pestizid- und Düngemitteleinsatz oder für eine regionale Wirtschaftsförderung hat, wird vor dem Hintergrund von weltweit mehr als 388 Millionen Kindern und Jugendlichen deutlich, die in der Schule essen (12). Schulverpflegung gilt daher als starker Motor für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der lokalen und globalen Lebensmittelproduktion.
Politik für eine nachhaltigere Ernährung
Wie nationale Schulverpflegungsprogramme zu einem Ernährungssystem beitragen, das nachhaltiger und gesundheitsförderlicher ist, präsentierte Prof. Ulrike Arens-Azevedo in ihrem Vortrag auf dem 4. BZfE-Forum im September 2020. Die Wissenschaftlerin ist Sprecherin der Fachgruppe Gemeinschaftsverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und hat als Expertin des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei der Erstellung des Gutachtens „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ mitgewirkt (4).
Vortrag "Schulverpflegung als Motor für einen Wandel in eine nachhaltigere Welt" von Prof. Ulrike Arens-Azevedo, HAW Hamburg
Informationen zum Video: Abspieldauer 18:23 Minuten, Video kann nicht heruntergeladen werden, keine Audiodeskription, Untertitel in deutscher Sprache.
Fazit
Über den Tellerrand
Der langjährige Einsatz von Schulverpflegungsprogrammen in Ländern aller Einkommensgruppen hat im Laufe der Zeit auch zur Gründung von globalen Ernährungsinitiativen durch unterschiedliche Organisationen geführt, die meist in mehreren Ländern pilotiert und ausgewertet wurden. Darüber hinaus sind auch zahlreiche regionale Netzwerke entstanden, die im Länderverbund wirken und vom gegenseitigen Austausch unter ähnlichen Rahmenbedingungen profitieren. Mit einem integrierten, multisektoralen Ansatz hat die Schulverpflegung somit ein hohes Potential zu einer gesunden Entwicklung von Kindern beizutragen. Die Ausrichtung und Zielsetzung von Schulverpflegungsprogrammen sind dabei sehr unterschiedlich und vor allem abhängig von der wirtschaftlichen und politischen Situation eines Landes. Für alle gilt, dass die Institution Schule eine Lebenswelt ist, die Kindern weit mehr als Bildung und Erziehung ermöglicht. In dieser Lebenswelt beeinflusst die Versorgung der Kinder mit Schulmahlzeiten ihre individuelle Gesundheit und hat Auswirkungen bis in die Familien hinein.
Investitionen in Schulernährungsprogramme sind langfristige Anlagen in nachhaltigere Ernährungsumgebungen, die das Schulumfeld positiv beeinflussen und gesellschaftliche und globale Zusammenhänge aufweisen. Insgesamt kann ein return on investment, d.h. das Verhältnis von Nutzen zu Kosten von mindestens 7:1 bis zu 9:1 betragen (12). Das zeigt, dass Schulspeisungsprogramme aus einer sektorübergreifenden Perspektive durch den positiven Einfluss auf Bildung und Teilhabe, Gendergerechtigkeit, Gesundheit, soziale Sicherung, lokale Wirtschaftssysteme, die Agrarwirtschaft etc. kosteneffizient sein können (4, 6, 7, 12).
Unterschiedliche Ausrichtung in den Ländern
Der weltweite Vergleich unter Einbeziehung der sechs WHO-Regionen zeigt, dass sich Schulgesundheits- und Ernährungsprogramme in Abhängigkeit der ökonomischen Situation eines Landes entweder auf die Prävention von Übergewicht und Adipositas konzentrieren oder Unterernährung und Ernährungsunsicherheit bekämpfen müssen. Die Programme erweisen sich daher als „double duty actions“ (20).
Schulverpflegung als soziale Sicherung in Krisenzeiten
Schulverpflegung gewinnt in Krisenzeiten eine besonders wichtige Bedeutung als soziales Sicherungssystem (25). So verdeutlicht die Covid-19 Pandemie die Bedeutsamkeit von Bildungseinrichtungen im Ernährungssystem. Durch anhaltende Schulschließungen wird neben dem Unterrichtsausfall und der ausbleibenden Bereitstellung von Schulmahlzeiten auch der Zugang zu anderen wichtigen Bereichen wie Hygiene- und Gesundheitsleistungen, Austausch und soziale Integration oder Notfallmaßnahmen unterbunden, die sonst über die Schulstrukturen erfolgen. Besonders betroffen sind vulnerable und sozial benachteiligte Kinder in allen Ländergruppen.
Zusammenfassung als vertonte Präsentation
Quellen
- European Commission, Joint Research Centre, Institute for Health and Consumer Protection (IHCP) (2014): JRC Science and Policy Reports. Mapping of National School Food Policies across the EU28 plus Norway and Switzerland
- European Commission (2015). School food policy country factsheets.
- Jomaa LH, McDonnell E, Probart C (2011): School feeding programs in developing countries - Impacts on children’s health and educational outcomes. Nutrition Reviews 69(2): 83-98. DOI: 10.1111/j.1753-4887.2010.00369.x
- Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (2020): Politik für eine nachhaltigere Ernährung. Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten - Gutachten.
- World Food Programme (WFP) (2021): School feeding
- World Food Programme (WFP) (2019): The impact of School feeding programmes
- World Food Programme (WFP) (2020): A chance for every schoolchild. Partnering to scale up School Health and Nutrition for Human Capital. School Feeding Strategy 2020 – 2030
- Oostindjer M, Aschemann-Witzel J, Wang Q, Skuland SE, Egelandsdal B, Amdam GV, Schjøll A, Pachucki MC, Rozin P, Stein J, Lengard Almli V, van Kleef E (2017) Are school meals a viable and sustainable tool to improve the healthiness and sustainability of children´s diet and food con-sumption? A cross-national comparative perspective. Critical Reviews in Food Science and Nutrition 57(18): 3942-3958. DOI: 10.1080/10408398.2016.1197180
- Arens-Azevedo U (2020): Schulverpflegung als Motor für den Wandel in eine nachhaltigere Welt. Vortrag auf dem 4. BZfE-Forum im September 2020
- Vereinte Nationen (2021): Department of Economic and Social Affairs Sustainable Development Sustainable Development
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Hrsg.) (2015): Qualität in der Schulverpflegung – Bundesweite Erhebung, Abschlussbericht
- World Food Programme (WFP) (2020): State of School Feeding Worldwide 2020
- World Food Programme (WFP) (2009): Learning from experience: good practices from 45 years of school feeding.
- UNICEF 2021: COVID-19 (2021): Missing More Than a Classroom The impact of school closures on children’s nutrition
- Global Child Nutrition Foundation (2019): Global Survey Country Reports Kenya.
- Global Child Nutrition Foundation (2019): Global Survey Country Reports Bangladesh.
- Global Child Nutrition Foundation (2019): Global Survey Country Reports Benin.
- World Food Programme (WFP) (2021): Benin.
- United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) (2019): Making Evaluation work for the achievement of SDG 4 Target 5: Equality and inclusion in education.
- World Health Organization (WHO) (2018): Global Nutrition Policy Review 2016-2017: country progress in creating enabling policy environments for promoting healthy diets and nutrition
- African Union (2018) Sustainable School Feeding across the African Union
- UNESCO, Global Partnership for Education, Food and Agriculture Organization of the United Nations, United Nations Children's Fund, United Nations Standing Committee on Nutrition, World Bank, World Food Programme, World Health Organization (2020): Stepping up effective school health and nutrition: a partnership for healthy learners and brighter futures
- Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) (2019): Nutrition guidelines and standards for school meals. A report from 33 low and middle-income countries. Rom.
- UNO Flüchtlingshilfe (2021): Libanon: Stark belastetes Aufnahmeland
- United Nations System Standing Committee on Nutrition (UNSCN) (2017): Schools as a System to Improve Nutrition. A new statement for school-based food and nutrition interventions. Discussion Paper.